HAARIG: KIEFERNSPINNER SCHWÄRMEN AUS

Auch für Menschen, denen das Spiel mit den kleinen, harten Dimple-Bällen nicht besonders viel sagt, kann ein Golfplatz attraktiv sein. Derjenige von Sierre ist ein Beispiel dafür, wie Golfer und Naturfreunde mit oder ohne Hund einträchtig auf ihre Kosten kommen können. Der 18-Loch-Platz liegt in der Rhoneebene, mehr oder weniger mitten in einem Naturschutzgebiet mit kleinen Seen, Teichen, Bächen, in denen sich Fische tummeln.

Truffo am Lac de la BrècheEin Lagotto-Paradies
Vor allem im Winter ist der Golfplatz ein Geheimtipp für Spaziergänger, da man dann das ganze Areal für sich hat. Wasservögel sind hier in dieser Jahreszeit selten, wahrscheinlich ist das Nahrungsangebot zu gering. Das ist eigentlich erstaunlich, da das Naturreservat Poutafontana im Westen an den Golfplatz grenzt. Das 32 Hektaren große Feuchtgebiet ist bekannt für seine Avifauna: Es wurden rund 190 Arten beobachtet, 54 davon nisten hier mehr oder weniger regelmäßig, und zahlreich sind die Zugvögel, die Rast machen, bevor sie über die Alpen fliegen. Damit nicht genug: Im Sommer gibt es 12 Libellenarten zu entdecken… und vielleicht sogar einen Biber, der hier sein Comeback feierte. Im Winter 1973/74 setzte die Kantonale Jagdverwaltung im Wallis an verschiedenen Orten Biber aus. Überlebt haben jedoch nur jene, die in Poutafontana freigelassen wurden. Sie haben sich von hier aus in der übrigen Rhoneebene ausgebreitet. Für Truffo, unseren Lagotto Romagnolo, spielt das jedoch keine Rolle. Obwohl diese Hunderasse in Italien ursprünglich in den Lagunen zum Apportieren der erlegten Wasservögel eingesetzt wurde, fasziniert ihn in erster Linie das Wasser. Und davon gibt es auf dem Golfplatz, soviel sein Herz begehrt. Doch was hat das mit Insekten zu tun, wird man sich vielleicht fragen? Die Antwort findet man am nördlichen Ufer des Lac de la Brèche, das an den Damm zur Rhone grenzt.kiefernprozessionsspinner1

Unter Kiefern ist’s gefährlich!
Wir haben sie natürlich längst bemerkt, die Seidennester der Prozessionsspinner an den Ästen der kiefernprozessionsspinner FalterKiefern. Der Anblick ist uns nicht nur von Frankreich vertraut, sondern auch vom Montorge und von der Kübelpflanze unseres Nachbarn, an der ein solches Nest klebte. Letzten Sommer hat man die Bevölkerung über das vermehrte Vorkommen dieses unscheinbaren Falters informiert, und es wurde versprochen, alles Nötige dagegen zu unternehmen. Was dann wirklich getan wurde, weiß ich nicht, am Ufer des Brèche-Sees scheint man die Nester in den Kiefern zu dulden, obwohl es ein gut frequentiertes Ausflugsziel ist, wo spaziert, im Familienverband gepicknickt und gebadet wird.

kiefernprozessionsspinner2Es waren andere «Hündelerinnen», die uns aufklärten, dass es gerade jetzt, im Vorfrühling, besonders gefährlich sei, sich in der Nähe der befallenen Kiefern aufzuhalten, vor allem für Hunde, wenn ihre Schnüffelnase mit den Brennhaaren der Spinnerraupen in Berührung kommt.

Im Internet informiert die Deutsche Türkei-Zeitung über dieses Phänomen in Bezug auf die Pinien-Prozessionsspinner besonders ausführlich: «Nach bis zu sechs Larvenstadien wandern die Tiere im Frühling gen Boden, um sich zu verpuppen. Für Tiere und Menschen ist gerade die Zeit zwischen Januar und April die gefährlichste. Während dieser Phase sind die Raupen stets auf Wanderschaft. Die Gefahr geht von den Brennhaaren aus. Diese Härchen bilden sich ab dem dritten Larvenstadium an der Raupe. kiefernprozessionsspinner4Sie enthalten das Eiweißgift Thaumatopoein, das aus biogenen Ammen, Enzymen und phenolischen Substanzen besteht. Die Brennhaare sitzen auf den hinteren Segmenten der Raupen und können sogar aktiv ausgeschleudert werden. Man schätzt, dass eine einzige Raupe bis zu 600’000 dieser Brennhaare besitzt.»

Mehr über dieses Thema unter www.tuerkei-zeitung.de.

 

Unsere Kiefern-Prozessionsspinner sollen dieses Jahr besonders früh ihre Nester verlassen, weil der Winter für hiesige Verhältnisse zu warm war. Klimawandel eben…

 

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Warnung!

DER TIGER IM PLANSCHBECKEN

Tiegermücke Insektenschwund? Angesichts der täglichen Schreckensmeldungen über die Tigermücke könnte man daran zweifeln. Das wenige Millimeter große Insekt breitet sich nicht nur in Asien und Lateinamerika rasant aus, es ist auch in Deutschland und in der Schweiz im Vormarsch. Mücken sind ja nicht prinzipiell schlecht, sie haben im Nahrungskreislauf durchaus ihren Platz, aber in diesem Fall überwiegen die negativen Begleiterscheinungen eindeutig.

Urban und anpassungsfähig
Für Tigermücken ist die menschliche Zivilisation ein idealer Brutplatz. Dörfer und Städte bieten ihnen genau jene Biotope, die für die Entwicklung der Larven ideal sind. Laut Wikipedia sind dies «kleine Wasseransammlungen in Astlöchern, Blattachseln von Pflanzen, Bambusstümpfen, Kokosnussschalen oder ähnlichem, in der städtischen Umgebung sind es meist verstopfte Pflanzenuntersetzer, Eimer, Dosen, Flaschen oder Gläser. Besonders attraktiv sind auch im Freien gelagerte Autoreifen.» Bei uns hat sich die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) vor allem im Tessin ausgebreitet, wo sie 2003 erstmals gesichtet wurde. Dank ihrer hochentwickelten Anpassungsfähigkeit überlebt sie nicht nur längere Kälteperioden (im Winter meist in Eiform), sondern auch erstaunlich lange Trockenzeiten. Damit ist sie im Tessin, wo es sehr heiß werden kann, aber auch öfters regnet, in ihrem Element.

Siedlungen bieten den weiblichen Tigermücken zudem den Vorteil, nicht lange nach frischem Blut suchen zu müssen, das sie für die Bildung der Eier benötigt. Die Nahrungsquelle Mensch verrät sich durch ihr natürliches Parfüm, das auf sie besonders anziehend wirkt, wenn es mit Schweiß verstärkt ist. Anders als die meisten Stechmücken greift die Tigermücke auch tagsüber an, und zwar recht aggressiv und schmerzhaft. Und weil die Tigermücke ein relativ großes Quantum Blut braucht (etwa 2 Mikroliter), besucht sie mehrere Wirte. Dadurch wird sie als potentielle Überträgerin von Krankheiten gefährlich. Die falsche BLICK-Meldung, dass sich in der Schweiz über 200 Personen mit Denguefieber angesteckt hätten, sorgte für Aufregung. Glücklicherweise wurde in der Schweiz jedoch noch keine Infektion durch Schweizer Tigermücken nachgewiesen, die erwähnten Patienten hatten sich im Ausland infiziert…

Ein aussichtsloser Kampf?Ticino octobre 2011 024
Im Kanton Tessin hat die Tigermückenarbeitsgruppe (GLZ – Gruppo cantonale di Lavoro Zanzare) den Kampf gegen die Asiatischen Tigermücken aufgenommen. Zum einen wird ihre Verbreitung und Entwicklung beobachtet: Als schlechte Flieger, die maximal 100 Meter zurücklegen, lassen sie sich vor allem als blinde Passagiere in Fahrzeugen transportieren. Fallen, die an den Hauptverkehrsachsen in den Norden aufgestellt werden, sollen sie unter Kontrolle halten. Zum andern wird die Bevölkerung dazu angehalten, sich aktiv an der Bekämpfung zu beteiligen.

Ein Informationsblatt zeigt, was man in und am Haus sowie im Garten tun kann. Keine Behälter herumstehen lassen, in denen sich Regenwasser sammeln kann; Kinderplanschbecken und Topfpflanzenuntersätze einmal pro Woche leeren; Dachrinnen regelmäßig kontrollieren; Regenwassertonnen hermetisch schließen; Autoreifen unter Dach lagern; Löcher und Ritzen in Mauern mit Sand auffüllen… Und wo dies alles nicht möglich ist, rücke man den Larven mit Bti zu Leibe, dem Bacillus thuringiensis israeliensis. Es handelt sich dabei um ein Bakteriengift, das von den Mückenlarven gefressen wird und sie tötet, anderen Tieren jedoch nicht schaden soll. Fragwürdiger ist der Einsatz von Pyrethroiden (diese wirken sehr schnell gegen fast alle Insekten und sind hochgiftig für Fische, Amphibien und Reptilien) oder Pyriproxyfen, ein Pestizid, das in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Pflanzenschutzmittel nicht zugelassen ist, zur Bekämpfung von Stechmücken jedoch verwendet wird. Noch umstrittener ist die Wiedereinführung von DDT, die vor allem von amerikanischen Gesundheitsexperten befürwortet wird.Tigermücke sprayen

Die Tessiner Fachleute setzen vorläufig auf das Verständnis und die Disziplin der Bürger. Doch um den Verhütungsmaßnahmen Nachdruck zu verleihen, droht man den Einwohnern von Locarno neuerdings mit Bußen von 50 bis 10’000 Franken. Das ist happig! Wird künftig eine Tigermückenpolizei durch die Gemeinde patroullieren, um Säumige zu verzeigen? Denkt man an die zahlreichen Bruchsteinhäuser, die alten Kirchen, Kapellen und Trockenmauern, kommen zudem Zweifel auf, ob das Konzept überhaupt realisierbar ist.

Weitere Infos: www.ti.ch/zanzare/ , www.swissbiotech.org

 

ERIKA VON DEPPENDORF

Erika_nah-300x180Selten hat ein einzelnes Insekt soviel mediale Aufmerksamkeit erregt wie die Stubenfliege namens Erika. Dahinter steckt ein deutsch-schweizerisches Happening, das mehr sein will als ein lustiger Event, sondern mit hochgesteckten ökologischen Zielen verbunden ist und unlängst mit dem Schweizer Ethikpreis honoriert wurde. Aber eins nach dem andern…

Vom Saulus zum Paulus
Die 1956 gegründete deutsche Firma Reckhaus GmbH Co. produziert eine Palette von Insektenbekämpfungsmitteln für den Hausgebrauch. In deren Visier stehen vor allem Fliegen, Mücken, Trauermücken, Ameisen und andere Untermieter, die man lieber vor die Türe setzen möchte. Hauptsitz des Unternehmens ist mit 50 Angestellten und rund 20 Millionen Euro Umsatz Bielefeld, seit 1999 befindet sich die Verwaltung im appenzellischen Gais. Der Sohn des Gründers, Hans-Dietrich Reckhaus, hatte an der Wirtschaftshochschule St. Gallen studiert und dabei Gefallen an der Hügellandschaft dieser Gegend gefunden.

FliegenrettungAls Schöngeist, der sich eher für Literatur und Kunst als für die Vernichtung von Insekten interessierte, aber dem Betrieb dennoch nicht untreu werden wollte, stand er zwischen Tür und Angel. Bis «Flippi», eine klebende Fliegenfalle, die ans Fenster geklebt wird, patentiert wurde. Um das neue Produkt zu propagieren, wandte sich Hans-Dietrich Reckhaus an das «Atelier für Sonderaufgaben» der Zwillingsbrüder Frank und Patrik Riklin in St. Gallen. Die Konzeptkünstler redeten dem Fabrikanten ins Gewissen, und er liess sich davon überzeugen, dass man Fliegen nicht einfach umbringen dürfe, sondern sie vielmehr retten solle. So kam die Aktion zustande, die 2012 unter dem Motto «Fliegen retten in Deppendorf» begann. Die Ortschaft in Nordrhein-Westfalen mit dem politisch wohl kaum korrekten Namen machte begeistert mit, briet Würste, schenkte Bier aus, kreierte sogar einen «Fliegenschnaps» und fing 902 Fliegen, ohne sie zu töten, darunter auch die berühmte Erika.

Die Brüder Riklin hatten mit ihr einiges im Sinn: «Wer fliegt mit einer Fliege in den Wellness-Urlaub? Eine der geretteten Fliegen reist mit einem Fliegenretter-Paar für drei Tage in ein bayrisches 5-Sterne-Hotel – mit Hubschrauber, Flugzeug und Taxi. Was passiert, wenn ein Unternehmer für Insektenbekämpfung in das weltweit erste Flugticket für eine Fliege investiert? Wie reagiert eine Stewardess, wenn ein vermeintlich leerer Sitzplatz der Lufthansa offiziell mit einer Fliege als Passagierin besetzt ist?» Wie das Bordpersonal reagiert hat, ist nicht überliefert. Das ungewöhnliche Unternehmen war vielleicht nicht besonders ökologisch, erzielte jedoch den erwünschten PR-Effekt: Erika machte fette Schlagzeilen.Fliege Erika

Erika lebte nach ihrer Rettung dank guter Pflege noch fünf Wochen. Während ihre 901 Artgenossen in einem mit rotem Samt ausgeschlagenen Massensarg endeten, wurde Erika präpariert und kam in einen Banksafe der UBS Teufen. Die Begründung für ihre Aktion liefern die Konzeptkünstler auf ihrer Homepage: «Die vermutete Absurdität des Fliegenrettens eröffnet eine neue Dimension in der Welt der Insektenbekämpfung, indem die kreative Anstiftung der Kunst das Denken und Handeln eines Unternehmers entscheidend beeinflusst. Dieser Transformationsprozess zeigt, dass die Kunst fähig ist, einen Unternehmer vom ‹Insektenbekämpfer› in einen ‹Insektenretter› zu verwandeln.»

Am 2. März 2015 wurde Erika in Anwesenheit von über fünfzig Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien in der Hochschule St. Gallen feierlich in einem Sarkophag im Fussboden des Erdgeschosses bestattet. Damit wurde sie auch in die berühmten Kunstsammlung der HSG integriert. Der Stifter des Kunstwerks, Dr. Hans-Dietrich Reckhaus, hat sich inzwischen ein Konzept ausgedacht, das seine Insektizide durch Ausgleichsflächen zu «ökoneutralen Bioziden» mutieren soll. Demnach werden von der Firma Reckhaus die durch Biozide verursachten Schäden «auf der Basis eines weltweit einzigartigen wissenschaftlichen Modells» berechnet und durch die Anlage von insektenfreundlichen Grünflächen mit Totholz, Sand, Steinhaufen, Tümpeln usw. kompensiert. Nach dieser Rechnung soll ein Biotop von 200 Quadratmetern 72 000 Fliegenfallen kompensieren. Das Projekt läuft unter dem Gütesiegel «Insect Respect» und beteiligt die Käufer mit dem bescheidenen Betrag von 10 Cent an der Wiedergutmachung.Fliege signet

Mehr zum Thema unter: www.insect-respect.org/projekte/ausgleichsflaechen.html, www.sonderaufgaben.ch

Das Buch zum 60-Jahr-Jubiläum der Firma von H.-D. Reckhaus, «Warum jede Fliege zählt», kann in der Papierversion gratis (zuzüglich Versandkosten) bestellt oder als PDF heruntergeladen werden: www.reckhaus.com

 

STARS IM RAMPENLICHT UND IM UNTERGRUND

kugelspringer PorträtAm Montorge über Sitten blühen seit Mitte Januar die Lichtblumen. Das ist sogar für hiesige Verhältnisse früh. Und bei unserer Neujahrswanderung durch die Weinberge bei Saillon entdeckten wir in den Vorgärten bereits Primeln und Osterglocken. Der Frühling ist zweifellos im Anmarsch. Das beweist auch der Buntspecht, dessen Trommelwirbel in letzter Zeit wieder öfter zu hören ist. Er muss sich dieses Jahr besondere Mühe geben, denn er wurde zum Vogel des Jahres 2016 gekürt. Und das Insekt des Jahres ist der Dunkelbraune Kugelspringer (Allacma fusca). Schon gehört von diesem Kerlchen?

Nicht sexy, aber unersetzlich und uralt
Ein «Kuratorium renommierter Forscher» hat sich für den knapp 4 Millimeter großen Kugelspringer entschieden, obwohl er keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde und auch sonst kaum bekannt ist. Als Botschafter für die Welt der Sechsfüßer hätte es auf jeden Fall attraktivere Möglichkeiten gegeben. Ausschlaggebend war, dass das vergangene Jahr unter dem Zeichen des Internationalen Jahrs des Bodens stand (was mir völlig entgangen ist…) und der Dunkelbraune Kugelspringer laut ETH Zürich ein «typischer Vertreter dieses Lebensraumes aus der wohl individuenreichsten Insektenordnung der Erde – der archaischen Collembolen – als Insekt des Jahres auserkoren wurde. Diese Gruppe kleiner Urinsekten mit bis zu 200’000 Individuen unter einem Quadratmeter Bodenoberfläche (d.h. mit bis zu 2 Milliarden Tieren in einer Hektare Wald) reichert unsere Böden mit Nährstoffen an und bildet wertvollen Humus.»

Kugelspringer 2Seit mindestens 400 Millionen Jahren haben die erstaunlichen Winzlinge beinahe die ganze Welt und die unterschiedlichsten Lebensräume erobert. Die Umwandlung von Blättern und Holz in Humus bzw. Dünger steht im Vordergrund und macht sie zu unentbehrlichen Helfern der Land- und Forstwirtschaft. Sie machen sich jedoch auch über tote Tiere und Kot her und erfüllen damit die Aufgabe der Gesundheitspolizei. Sie schrecken sogar vor Schwermetallen nicht zurück und werden deshalb gezielt zur Säuberung von kontaminierter Erde eingesetzt. Es sind Überlebenskünstler, die mehrere Jahre Tiefkühlung unbeschadet überstehen und sich wochenlang übers Meer treiben lassen und so Neuland erobern können. Weil sie keine Flügel haben, katapultieren sie sich bei Gefahr mit Hilfe einer aufklappbaren Sprunggabel oder Furca in die Luft.Kugelspringer 4

Ein typischer Bodenbewohner ist der maximal 4 Millimeter lange Dunkelbraune Kugelspringer zwar nicht, da er vorwiegend im Wald lebt und sich dort hauptsächlich von Algen ernähren soll, die er von der Rinde lebender Bäume abweiden. Von Algen? Tatsächlich? Der deutsche Springschwanz-Experte Dr. Hans-Jürgen Schulz antwortete auf meine Nachfrage umgehend: «Es ist tatsächlich so, dass Allacma fusca mit Vorliebe den Algenbewuchs von Baumstubben etc. abweidet. Dies ist besonders bei feuchtem Wetter zu beobachten, da die hohe Luftfeuchtigkeit sehr ‹angenehm› für ihn ist (und er auch Wasser über die Algen aufnimmt). Sie können auch gerne die Videosequenzen auf der Internetseite der Abteilung Bodenzoologie des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz hierzu ansehen (Insekt des Jahres 2016).» Siehe www.senckenberg.de/goerlitz, www.soil-organisms.org, www.edabhobase.org

StarPopulärer Allerweltskerl
Im Gegensatz zum Kugelspringer gehört der ebenfalls vorwiegend im Wald lebuntspecht_rh00181bende Buntspecht zur Prominenz unserer Tierwelt. Dank seiner Größe und dem auffallend gefärbten und gemusterten Gefieder ist er unverwechselbar, und zudem macht er mit seinem Trommeln akustisch auf sich aufmerksam. Der Buntspecht ist dermaßen beliebt, dass er bereits zum zweiten Mal auf dem Podest steht, war er doch bereits 1997 Vogel des Jahres. Wie erklärt BirdLife Schweiz die geballte Ehrbezeugung? Er sei ein perfekter Botschafter für große Bäume und Hecken im Siedlungsraum: «Große, einheimische Bäume kommen durch das verdichtete Bauen unter die Räder und müssen bei Neubauprojekten wieder bewusst eingeplant werden. … Sogenannte Biotopbäume sind wichtige Elemente im Wald. Oft beherbergen sie eine riesige Artenvielfalt.» Nicht viel anders wurde die Wahl 1997 vom deutschen Vogelschützer Klaus Ruge zusammenfassend begründet: «Der Buntspecht, dieser Allerweltskerl, ist ein guter Anzeiger für die Lebensraumqualität im Wald.» http://www.birdlife.ch/de/node/2752

INTEGRATION IM WESPENSTAAT

Blog 22 WEFMilitärflieger donnern von Sitten aus gen Osten, ins Bündnerland. In Davos findet das WEF statt, in Anwesenheit viel schützenswerter Prominenz aus aller Welt. Ein Schwerpunkt ist die Flüchtlingskrise. Auch der Bundesrat ist angereist. Der ganze Bundesrat? Nein, unsere Justizministerin Simonetta Sommaruga zog es vor, in Bern zu bleiben. Ihr Desinteresse hat sie nicht begründet. Irgendwie versteht man sie ja, liest und hört man doch kaum mehr etwas anderes, dafür braucht sie wirklich nicht nach Davos zu fahren…

Geheimnisvolle Thronfolge
Sogar wenn man sich im Wissenschaftsteil des «Spiegels» über den straff organisierten Staat der indischen Papierwespe Ropalidia marginata schlaumachen will, bleibt einem dieses Thema nicht erspart. Das jüngst in Bangalore untersuchte Insekt wird zum «Wunder der Integration, gegen das selbst die deutsche Willkommenskultur verblasst». Das macht neugierig. Der Biologe Raghavendra Gadagkar ist in sein Studienobjekt so vernarrt, dass er sich sogar gern von ihm stechen lässt: «Ich schätze, das ist es, was Liebe mit einem macht.»Blog 22 Gadagkar-2010-CSIR

 Die Journalistin Laura Höflinger hat den graubärtigen Forscher und seine Studenten bei der Arbeit beobachtet. Ihre Experimente und Beobachtungen ergaben, dass der Wespenstaat auf mehreren, sich auf den ersten Blick widersprechenden Prinzipien beruht: strenge Hierarchie und Brutalität einerseits, Kooperation, Kommunikation und Integration andererseits. Die Gemeinschaft ist wie die indische Gesellschaft in Kasten eingeteilt. Zuoberst steht die Königin; es gibt Kämpferinnen, die für Ordnung sorgen, Baumeisterinnen und Nahrungsbeschafferinnen sowie schließlich die faulen Drohnen, die sich nach der Paarung aus dem Staub machen.

Besonders interessant ist die Entdeckung, wie die Nachfolge der Königin funktioniert. Stirbt oder verschwindet die Wespenkönigin, regelt sich die Nachfolge scheinbar wie von selbst: «Wenige Minuten später begann eine bis dahin unauffällige Wespe – aber auch nur eine –, sich aggressiv zu verhalten. Ihr Eierstöcke wuchsen, Tage später legte die neue Königin erste Eier. Keine zweite Anwärterin forderte sie heraus, die Machtübernahme verlief harmonisch – als wüsste jede Wespe im Volk, wer wann an die Reihe kommt.» Zum Machtkampf unter den Königinnen kam es erstaunlicherweise auch nicht, als der Forscher die vorher aus dem Nest entfernte Königin wieder an ihren Platz setzte. Die «Neue» trat umgehend wieder ins zweite Glied zurück und ging erneut ihrer gewohnten Arbeit nach. Die Thronfolge kann jedoch auch weniger friedlich verlaufen, und die Anwärterinnen schrecken gelegentlich nicht vor Rivalinnenmord zurück. Dennoch ist das Rätsel noch nicht gelöst, auf welche Art und Weise die Nachfolgerin bestimmt wird.Blog 22 Rophalia

Kosten-Nutzen-Rechnung
Was den indischen Verhaltensforscher schließlich am brennendsten interessiert, ist der Grund, weshalb so kleine Tiere ein kompliziertes Staatswesen betreiben, sich damit begnügen, ein Leben lang fürs Gemeinwohl zu arbeiten und eine Königin zu füttern, kurz: kooperativ zu sein. Vereinfacht gesagt, fördert die Unterstützung der Verwandtschaft den Fortbestand der Art bzw. der Gene. Diese Organisation hat sich bewährt, sonst wären die Wespen längst verschwunden. Der Nutzen der «selbstlosen» Arbeit ist größer als der Aufwand.

Blog 22 TitelseiteDie Beobachtung, die Raghavendra Gadagkar am meisten verblüffte, stellt jedoch die alleinige Unterstützung der Familienmitglieder in Frage. Laura Höflinger verweist auf die Flüchtlingspolitik der Deutschen, die sich mit jener von Ropalidia marginata nicht messen könne: «Die Papierwespen nehmen junge Tiere aus anderen Staaten in ihre Gemeinschaft auf und vollbringen dabei ein Wunder der Integration: Im Gegenzug für ihre Arbeitskraft stehen den Einwanderern im Wespenstaat alle Türen offen, sei es eine Karriere als Kämpfer oder Sammler – ja sogar der Thron der Königin.» Was man bis jetzt aus Davos erfahren hat, sieht nicht danach aus, als ob sich die Politiker die indischen Papierwespen zum Vorbild nehmen würden. Aber die Wespen, meint der Forscher aus Bangalore, heißen die Fremden auch nur willkommen, wenn sie ihnen nützen. Spannend wäre zudem zu erfahren, wie die Wespen feststellen, dass ihnen die Fremdlinge künftig nützlich sein werden und ob dies denn auch wirklich eintrifft. Da gibt es in Indien und anderswo noch eine Menge zu erforschen.

DIE BLAUÄUGIGE KÖNIGIN

Tulum Ruinen ganz grossJetzt flattern sie wieder ins Haus, die Prospekte und Inserate für Flug- und Schiffsreisen in alle Welt. Und weil es im Wallis seit Tagen regnet, schneit und stürmt, packen wir die Gelegenheit beim Schopf und ziehen nach Tulum. Tulum liegt an der mexikanischen Karibikküste auf der Halbinsel Yucatan, wo die von Palmen umsäumten Strände weiß und der Himmel ständig blau ist. Sollte man meinen. In Wirklichkeit regnet es jetzt auch dort, so dass wir uns die weite Reise sparen und und uns stattdessen getrost an den Computer setzen können.

Die Bienen der Maya
Neben seinen prächtigen Stränden ist Tulum durch seine imposanten Ruinen berühmt geworden. Von der einst bedeutenden ummauerten Handelsstadt ist der größte Teil verschwunden, aber das Schloss und die drei Tempel zeugen vom ehemaligen Glanz. Wikipedia führt uns zu jenem Heiligtum, das uns besonders interessiert: «Neben dem Schloss liegt der Tempel des Herabsteigenden Gottes bzw. Templo del Dios Descendente. Seinen Namen erhielt er von der im Dachfries enthaltenen Figur des herabsteigenden Gottes. Diese in Tulum mehrfach (beispielsweise im Schloss) abgebildete Gottheit wurde mit dem Sonnenuntergang, dem Regen, dem Blitz und der Bienenzucht in Verbindung gebracht und hieß auf Mayathan Ah Mucen Cab (Bienengott).»Melipona

Wobei wir beim Thema dieses Blogs angelangt wären, bei der Biene Melipona beecheii, deren Honig und Wachs von den Maya genutzt und die wie ein Heiligtum verehrt wurde. Melipona besitzt zwar keinen Stachel, kann jedoch kräftig zubeißen. Ihre blauen Augen sind eine weitere Besonderheit der «königlichen Dame», deren Honig auch oder sogar vorwiegend als Heilmittel und zu rituellen Zwecken verwendet wurde.

Weil die schöne Melipona viel weniger Honig als unsere Honigbiene produziert, wurde sie nach der Kolonisierung durch Apis mellifera ersetzt, geriet allmählich in Vergessenheit und wäre schließlich beinahe ausgestorben. Dazu beigetragen haben auch die großflächigen Rodungen des Dschungels. Dass durch ihr Verschwinden die Flora zu verarmen droht, merkte man erst später: Die einheimische Melipona-Biene bestäubt nämlich Pflanzen, die von den dortigen, inzwischen «afrikanisierten» Honigbienen nicht frequentiert werden.Melipona Honig gewinnen

Hilfe aus dem Westen
Zur Rettung der stachellosen Bienen und ihrer Wirtspflanzen wurden mehrere Aktionen gestartet. Ein Westschweizer Paar, das auf Tulum ein Hotel betreibt und das Imkern als Hobby pflegt, begeisterte sich für die Maya-Biene und gründete 2013 eine Stiftung, die Fondation Melipona maya. Man will die Produktion steigern und hat die ideale Abnehmerin in Frankreich gefunden. 1982 gründete Catherine Flurin mit ihrem Mann Philippe Ballot ihr Bienen-Unternehmen in den Pyrenäen. Sie gehörten zu den ersten Bio-Imkern und nahmen sich vor, «die Bienen als ein echtes kleines, über hundert Millionen Jahre altes Volk zu respektieren» und vor allem keine Chemie einzusetzen. Als Arzttochter interessierte sich Catherine schon bald für den therapeutischen Aspekt von Produkten wie Honig, Propolis und Gelée royale, und die Firma Ballot-Flurin begann Anfang der 1990er Jahre mit der Produktion ihrer Linie DOUCE. Der Erfolg stellte sich rasch ein, und heute beschäftigt der Betrieb fünfzig Angestellte. Und seit 2014 wird mit Honig aus Mexiko die Kosmetiklinie Melipona erzeugt. Sie wird von den Kundinnen geschätzt, da die Haut nach dem Eincremen aussieht, «als sei sie mit Pailletten bedeckt». Den Nachfahren der Maya, die mit der Imkerei der blauäugigen Schönheit betraut sind, kommt der finanzielle Zustupf entgegen, vor allem auch, weil der Zeitaufwand bescheiden ist. Mehr, auch über das etwas kuriose Bienenyoga, unter www.ballot-flurin.com

Ein weiteres Projekt zur Wiederaufforstung der tropischen Wälder Amerikas und zur Förderung der stachellosen Bienen läuft schon länger unter dem Namen PROMABOS in El Salvador. Seit 2003 werden auf Gelände, das Bienenzüchtern gehört, gezielt Bäume und Sträucher angepflanzt, die von Melipona beecheii besucht werden. Mehr unter www.apimondiafoundation.org.

PS: Wer sich für den Sinn und Zweck von Farben und Mustern im Tierreich interessiert, ist mit dem kürzlich in Neuauflage im NZZ-Verlag erschienenen Bildband «Design by Nature – Warum die Tiere so aussehen, wie sie aussehen» gut bedient. Für den Text und die Illustrationen zeichnet Otmar Bucher verantwortlich, der ehemalige Chefredaktor des «schlauen Schüler-Magazins» SPICK, für das ich die Ehre und das Vergnügen hatte, Artikel zu schreiben.

DIE TRÜFFELFLIEGE IM AUFWIND

Der Jahresbeginn ist die hohe Zeit der Propheten. Sie drohen uns mit Wespen-, Stechmücken- und Zeckenplagen. Die außergewöhnlich warmen Wintertemperaturen seien vor allem für Exoten wie die Asiatische Tigermücke oder die Buschmücke ideal. So der «Spiegel», der «Blick» und viele andere. Genau das Gegenteil erfahren wir in der «Welt» vom 13. Januar 2012: Dort beruhigt die Sprecherin des deutschen Naturschutzbunds: «Landläufig geht man davon aus, dass auf einen warmen Winter eine große Mückenplage im Sommer folgt. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Die warmen Temperaturen im Winter schaden den Mücken.» Die Eier und Larven würden eher verschimmeln als in kalten Wintern.

Trüffel politisch korrekter als Nüsse?
Auch die Weihnachtsnummer des «Spiegel» macht uns das Leben nicht leichter. Man wird darüber aufgeklärt, auf welche Speisen und Getränke man verzichten sollte, falls man sich politisch korrekt ernähren will. Dazu gehören Mandeln und Walnüsse, die wahre Säufer seien. Für eine einzige Mandel brauche es 3,8 Liter, für eine Walnuss 3,7 Liter Wasser. Man höre und staune! Mandelbäume gedeihen nicht nur in Kalifornien, sondern auch vom Wallis bis in die Provence, und dort bevorzugt in steinigen, trockenen Böden. Sie stehen überdies häufig in Weinbergen, die selten oder überhaupt nicht bewässert werden. Was die Baum- oder Walnüsse betrifft, lieben auch sie die Wärme. Und wir haben unter Bäumen, die garantiert nie gegossen wurden, nach dem ausgesprochen trockenen Sommer diesen Herbst zahlreiche große und einwandfreie Walnüsse gesammelt. Woher stammen solche Zahlen? Wer hat die geernteten Mandeln und Walnüsse in aller Welt gezählt, und wer weiß, wie viel Wasser in den Plantagen wieder verdunstet? Nicht nur vor Würsten, Nespresso-Kaffee und Wein aus Israel, sondern auch vor Kräutertee, Äpfeln (sogar in Bio-Qualität!), Wildbret und Hefe wird gewarnt. Man hat es wirklich nicht einfach…

Zu den politisch Unbedenklichen gehört glücklicherweise die Trüffel. Jedenfalls habe ich die in der Erde wachsenden Luxuspilze bis jetzt auf keiner schwarzen Liste entdeckt. Der Süden Frankreichs steckt momentan mitten in der Trüffelsaison. Die kostbare Knolle wird heute nur noch selten mit Schweinen, sondern meist mit Hunden gesucht. Schweine seien zu gierig – oder zu intelligent? – und würden ihren Fund lieber selbst verspeisen, als ihn ihrem Besitzer zu überlassen (was allerdings auch hie und da bei einem Hund vorkommen kann, wenn er die Gelegenheit dazu hat).

Claudine Bayle, die in Montoison in der Drôme Australische Hirtenhunde züchtet, trimmt die Welpen durch spielerisches Training bereits im Alter von sechs Wochen auf den Geschmack. Wichtig sei, das Interesse der Hunde zu wecken, die Trüffelsuche soll für sie ein Spaß sein. Wie ihr das gelingt, bleibt ihr Betriebsgeheimnis. Immerhin verkauft sie einen knapp drei Monate alten Welpen für ungefähr 2000 Euro. «Alle Hunde können Trüffelhunde werden, kein Hund wird jedoch mit dem Instinkt zum Trüffeln geboren.» Wichtig seien Ausdauer, Konzentrationsfähigkeit, die Nähe zum Menschen und eine gute Dressur.

Kenner können’s mit der Fliege
Erfahrene Trüffelsucher haben neben dem Hund einen weiteren Trumpf in der Hand: Die Trüffelfliege Suillia tuberiperda. Das gelbe, mit seinen kräftigen Borsten nicht besonders attraktive Insekt führt ebenfalls zum Erfolg. Die Fliegenweibchen suchen zur Eiablage eine Stelle, unter der ein Trüffel wächst. Dort kreisen sie prüfend über der Erde, bevor sie ihre Eier legen. Nach dem Schlüpfen kriechen die Maden hinunter, zum Trüffel, in der sie es sich bis zum Schlüpfen wohlsein lassen. Wir hatten vor einigen Jahren das Pech, am Trüffelmarkt vor Weihnachten in Grignan ein für uns Laien äußerlich tadelloses, aber innen vollständig von Larven befallenes Exemplar zu erwerben.Die Knolle hatte kein Vermögen gekostet, aber es wurmte dennoch, und so habe ich die Maden sorgfältig entfernt und den Pilz sauber gewaschen, so dass wir trotzdem einige Gerichte mit seinem legendären Duft parfümieren konnten…

000 Trüffelmania1

In der Schweiz ist die Trüfflerei auf dem besten Weg, ein Volkssport zu werden. Deshalb wächst auch das Interesse an der Trüffelfliege, die den Vorteil hat, keine Kosten und Mühen zu verursachen (als glückliche Besitzerin eines Lagotto Romagnolo weiß ich, wovon ich spreche). Außerdem ist die Gefahr geringer, von Konkurrenten als Trüffelsucher erkannt zu werden. Es gibt schon Passionierte, die mit ihrem Hund nachts mit der Taschenlampe auf die Suche gehen, um ihre Plätze geheimzuhalten. Bei dieser Demonstration fürs Fernsehen ist das offensichtlich nicht der Fall…

TRAUERSPIEL IM WOHNZIMMER

000 lexikon_trauermueckeHabe ich nicht letzthin bedauert, dass mit dem Winter die insektenarme Jahreszeit angebrochen ist? Das war ein Irrtum, zumindest was unsere Wohnung betrifft. Hier tummeln sich seit einigen Tagen Hunderte und Aberhunderte von winzigen, schwarzen Insekten. Woher sie stammen, war mir zuerst ein Rätsel.

Unbeliebte Gäste
Unter der Lupe entpuppten sich die schwarzen Punkte als zierliche und anscheinend harmlose Fliegen. Der Blick ins Internet klärte mich auf: Es sind Trauermücken (Sciaridae). Sie besitzen zwar effektiv keinen Stechapparat wie andere Mückenarten, können einem aber das Leben dennoch schwer machen. Die vielen Hilferufe zeugen davon, dass man diese ungebetenen Gäste nicht so leicht wieder loswird. Die weltweit rund 1800 Trauermückenarten – diese Bezeichnung verdanken sie ihrer mehr oder weniger dunklen Färbung – besiedeln sozusagen alle Lebensräume, von der Antarktis bis zur Sandwüste und vom Flachland bis ins Hochgebirge. Wikipedia schränkt jedoch ein: «Die meisten Arten findet man aber in feuchten Habitaten wie Wäldern, Mooren, Feuchtwiesen, auf Weiden, Feldern und auch Gärten. Dort leben ihre Larven versteckt in Laub und Pflanzen.» Und jetzt kommt’s: «Sie treten auch in Häusern und Wohnungen auf und entwickeln sich dort in Blumentöpfen.»000 bt09450a

Die Yucca und die mächtige Euphorbie im Wohnzimmer könnten theoretisch der Herd der Invasoren sein, vermutlich ist es jedoch die Yucca-Palme, da sie vor ein paar Wochen umgetopft werden musste, nachdem sie den alten Topf gesprengt hatte. Blumenerde sei häufig von Eiern oder Larven befallen und werde so eingeschleppt. Die Erde wird «aus Kostengründen» nicht mehr in jedem Fall mit heißem Dampf desinfiziert, so dass die Plagegeister im Preis inbegriffen sind. Darum wird empfohlen, keine billige Erde zu kaufen. Doch meist muss man ja einfach nehmen, was angeboten wird, und ob Mückenlarven enthalten sind oder eben nicht, steht wohl kaum auf dem Preisschild.

000 trauermuecken-gelbsticker-gelbtafelnAn Ratschlägen zur Bekämpfung der Zweiflügler, deren Larven mitunter auch die Wurzeln der Pflanzen perforieren, mangelt es nicht. Streichhölzer sollen kopfvoran in die Erde gesteckt, Quarzsand oder Kaffeesatz darübergestreut werden. Professioneller geht man mit klebrigen Gelbstickern zu Werk (im Gartencenter in Uvrier VS waren diese leider nicht erhältlich, da ist man gegenwärtig im Weihnachtstaumel). Auch Fressfeinde der Larven (Nematoden) oder Bakterien (zum Beispiel Bacillus thuringiensis, das auch im großen Stil als selektives Präparat in Kulturen versprüht wird) sollen wirksam sein. Als letzte Möglichkeit kann die befallene Pflanze aus der Erde genommen, samt Wurzelwerk gründlich gewaschen und neu in sauberer Erde eingetopft werden. Von Chemie wird allseits abgeraten, sie bringt in diesem Fall eh nichts. Ich versuche es vorerst mit Staubsaugen, so seltsam das in einem Insektenblog klingt. Hält man die Hand einige Sekunden aufs Rohr, sind die Viechlein sogleich tot, hat man mir gesagt. Und ganz wichtig: möglichst wenig gießen, damit die Larven austrocknen.

Urzeitliches Matriarchat
Es soll dennoch nicht verschwiegen werden, dass die Trauermücken durchaus auch nützlich sein können und im Kreislauf der Natur seit Urzeiten eine wichtige Rolle spielen. Die ältesten, in Bernstein mumifizierten Funde sind 130 Millionen Jahre alt. Wahrscheinlich gab es sie jedoch schon lange vorher, spätestens seit Wälder entstanden. Dort fressen die Larven vor allem das abgeworfene, feuchte Laub, vermoderndes Holz sowie Pilze und produzieren mit ihren Exkremente den von den Bäumen benötigten Humus. Ihre Ausscheidungen werden zudem von anderen Kleinlebewesen im Boden  geschätzt, und das Vollinsekt bildet ebenfalls eine wertvolle Nahrungsquelle.

So gefräßig die Larven sind, nach dem Schlüpfen haben die ausgewachsenen Trauermücken keinen Appetit mehr. Sie leben nur noch wenige Tage, um sich fortzupflanzen. Mit 90% sind die Weibchen eindeutig das stärkere Geschlecht, und dies nicht bloß zahlenmäßig. Wikipedia: «Die Männchen der Trauermücken geben – wie auch bei den verwandten Gallmücken – nur diejenigen Erbanlagen an ihre Nachkommen weiter, die sie von ihrer Mutter erhalten hatten. Während das weibliche Geschlecht sich ganz normal fortpflanzt und eine kontinuierliche Kette von Vorfahren und Nachkommen bildet, fungieren die Männchen also nur als Vermittler zwischen diesen rein weiblichen Vererbungslinien.» Das Weibchen legt dann bis zu 200 Eier, aus denen entweder nur weibliche oder nur männliche Larven schlüpfen. 000 image

Die Fortpflanzung der Trauermücken ist darauf ausgerichtet, möglichst viele Nachkommen zu zeugen. Es kann deshalb vorkommen, dass eine Überpopulation entsteht und die Larven einen neuen Fressplatz suchen müssen. Besonders spektakuläre Wanderzüge von bis zu 10 m Länge und 15 cm Breite kann die Art Sciara militaris bilden. Früher wurde das Auftauchen einer solchen Riesenschlange als Kriegsbote gedeutet. Dieses Phänomen sei übrigens wieder häufiger zu beobachten.

 

 

KLIMA, KUNST UND KNETE

Am Samstagmittag, 12. Dezember 2015, ging die Klimakonferenz zu Ende. Die Teilnehmer stiegen in die Flugzeuge und kehrten nach Hause zurück. Was das Megatreffen gebracht hat, wird sich später weisen. Welchen Kohlenstoff-Ausstoß die COP21 produziert hat, erfahren wir hingegen wohl nie.

Viel Energie für wenig Erkenntnis
Der dänische Künstler Olafur Eliasson, 48, lebt in Berlin, wo er laut Wikipedia  vierzig bis fünfzig Mitarbeiter beschäftigt. Seine aufwendigen Installationen spielen häufig mit Lichteffekten, die auf Phänomene der Natur aufmerksam machen sollen. Und eine Menge Energie verschlingen. Zwei Beispiele: Zur Visualisierung des Übergangs vom Tag zur Nacht wurde «ein 48 Meter langes Gitter entlang der Fassade in den Gehsteig eingelassen. Darunter sind die 32 Leuchtstoffröhren sichtbar, die das spezifische, vom Künstler genau abgestimmte gelbe Licht erzeugen.» In Manhattan ließ er 2008 vier große Wasserfälle installieren: «Geschätzte 13,1 Milliarden Liter stürzten 110 Tage lang von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends von Gerüsten in den East River. Der Energieverbrauch soll durch Kredithandel mit Windenergie kompensiert worden sein.»Blog 18 olafureliasson

Für die Aktion in Paris namens «Ice Watch» ließ Eliasson rund 100 Tonnen Eis aus Grönland transportieren, in gekühlten Containern per Schiff und Lastwagen, und auf der Place de Panthéon in 12 großen Brocken aufstellen. Die NZZ erklärt, was damit bezweckt wird: «Die Installation, die 30 Tonnen CO2 verursachte, soll fassbar machen, welche Folgen der Klimawandel in der Arktis hat. Das Schmelzen des Eises geschieht nun nicht mehr weit weg im hohen Norden, sondern vor den Augen der Bewohner und Besucher in Paris.» Aha.

Es handelte sich dabei übrigens nicht um eine Premiere, ein ähnliches Projekt  stand bereits im Sommer 2013 auf dem Programm. Damals wurde ein Stück des isländischen Vatnajökull-Gletschers nach New York geschippert, selbstverständlich in Kühlcontainern. Und das Eis musste natürlich ebenfalls in der Galerie rund um die Uhr gekühlt werden, sonst hätten die Besucher das Nachsehen und nasse Füße gehabt… Es gab den einen oder andern zu denken, dass ein solcher energetischer Aufwand betrieben wird, um das Publikum darauf hinzuweisen, dass die Gletscher wegen der globalen Erwärmung und möglicherweise unseres Energieverbrauchs dahinschmelzen.

Sponsoring  dank Öl und Kohle
Und wer bezahlt die COP21? Zum Teil sind es die offiziellen Partner von «Paris 2015», die sich finanziell oder mit Naturalien an den Kosten beteiligen. Das ist Marketing, denn sie dürfen ihr Engagement zu Werbezwecken verwenden. Das ist gut fürs Image, denn es handelt sich dabei nicht nur um ökologisch «saubere» Unternehmen, im Gegenteil. Ein französischer Umweltbeauftragter verschweigt dem Magazin «L’Obs» nicht, dass die Kasse der Klimakonferenz ziemlich leer geblieben wäre, hätte man sich auf die tugendhaften Firmen beschränkt.Blog 18 Kamine

Tatsächlich denkt man bei Namen wie Renault-Nissan, Air France, EDF (französische Elektrizitätsgesellschaft), Total, ExxonMobil oder Shell nicht automatisch an den Schutz unseres Planeten. Auch weniger geläufige Namen sind dabei, etwa Socfin, die von Palmöl-Plantagen lebt, oder die auch in der Schweiz tätige Bank BNP Paribas, die unter anderem weltweit in Kohle investiert. Letztere verteidigt sich, dass man diesen Sektor bis 2030 um 13% reduzieren wolle. Auch Michelin verarbeitet pro Jahr 800’000 Tonnen Naturkautschuk, der aus südamerikanischen Plantagen stammt. Ob für diese der Regenwald gerodet worden sei, ist laut Pneuproduzent leider schwierig zu kontrollieren, man arbeite aber daran… Besonders pikant ist das Sponsoring eines 2015 gegründeten Firmenverbunds, der sich für die Förderung des in Frankreich höchst umstrittenen Fracking stark macht. Involviert ist dabei auch die texanische Fabrik Corpus Christi (sic!), die das Hexagon mit US-Gas beliefern wird, das im Fracking-Verfahren gewonnen wurde. Wenn’s ums liebe Geld geht, drücken offensichtlich selbst Klimaretter mitunter beide Augen zu.

Grau ist alle Theorie
Drei Tage vor dem Abschluss des Pariser Gipfels kam’s in der Schweiz zum Supergau: Zürich stand am Mittwochmorgen im Zeichen eines großflächigen Stromausfalls! 21’000 Anschlüsse waren betroffen, unzählige Trams standen still, Verkehrsampeln erlöschten, und der Hauptbahnhof blieb zwischen acht und neun Uhr dunkel. Rolltreppen und Billettautomaten waren außer Betrieb, in den Läden und Restaurants behalf man sich, wenn überhaupt, mit Kerzenlicht. Eine gespenstische Situation, die durch einen Kurzschluss im Unterwerk Letten ausgelöst worden war.

Um das Maß vollzumachen, hat die Netzbetreiberin Swissgrid am 2. Dezember in einem Pressecommuniqué angekündigt, die Energieversorgung für den Winter 2015/16 werde angespannt sein. Schuld daran seien vor allem der trockene Sommer und Herbst. Und auf die Stromlieferungen aus dem Ausland könne man sich nicht unbedingt verlassen.

Wir müssen uns diesen Winter warm anziehen. Und Glühwürmchen züchten, um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen.