Am Montorge über Sitten blühen seit Mitte Januar die Lichtblumen. Das ist sogar für hiesige Verhältnisse früh. Und bei unserer Neujahrswanderung durch die Weinberge bei Saillon entdeckten wir in den Vorgärten bereits Primeln und Osterglocken. Der Frühling ist zweifellos im Anmarsch. Das beweist auch der Buntspecht, dessen Trommelwirbel in letzter Zeit wieder öfter zu hören ist. Er muss sich dieses Jahr besondere Mühe geben, denn er wurde zum Vogel des Jahres 2016 gekürt. Und das Insekt des Jahres ist der Dunkelbraune Kugelspringer (Allacma fusca). Schon gehört von diesem Kerlchen?
Nicht sexy, aber unersetzlich und uralt
Ein «Kuratorium renommierter Forscher» hat sich für den knapp 4 Millimeter großen Kugelspringer entschieden, obwohl er keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde und auch sonst kaum bekannt ist. Als Botschafter für die Welt der Sechsfüßer hätte es auf jeden Fall attraktivere Möglichkeiten gegeben. Ausschlaggebend war, dass das vergangene Jahr unter dem Zeichen des Internationalen Jahrs des Bodens stand (was mir völlig entgangen ist…) und der Dunkelbraune Kugelspringer laut ETH Zürich ein «typischer Vertreter dieses Lebensraumes aus der wohl individuenreichsten Insektenordnung der Erde – der archaischen Collembolen – als Insekt des Jahres auserkoren wurde. Diese Gruppe kleiner Urinsekten mit bis zu 200’000 Individuen unter einem Quadratmeter Bodenoberfläche (d.h. mit bis zu 2 Milliarden Tieren in einer Hektare Wald) reichert unsere Böden mit Nährstoffen an und bildet wertvollen Humus.»
Seit mindestens 400 Millionen Jahren haben die erstaunlichen Winzlinge beinahe die ganze Welt und die unterschiedlichsten Lebensräume erobert. Die Umwandlung von Blättern und Holz in Humus bzw. Dünger steht im Vordergrund und macht sie zu unentbehrlichen Helfern der Land- und Forstwirtschaft. Sie machen sich jedoch auch über tote Tiere und Kot her und erfüllen damit die Aufgabe der Gesundheitspolizei. Sie schrecken sogar vor Schwermetallen nicht zurück und werden deshalb gezielt zur Säuberung von kontaminierter Erde eingesetzt. Es sind Überlebenskünstler, die mehrere Jahre Tiefkühlung unbeschadet überstehen und sich wochenlang übers Meer treiben lassen und so Neuland erobern können. Weil sie keine Flügel haben, katapultieren sie sich bei Gefahr mit Hilfe einer aufklappbaren Sprunggabel oder Furca in die Luft.
Ein typischer Bodenbewohner ist der maximal 4 Millimeter lange Dunkelbraune Kugelspringer zwar nicht, da er vorwiegend im Wald lebt und sich dort hauptsächlich von Algen ernähren soll, die er von der Rinde lebender Bäume abweiden. Von Algen? Tatsächlich? Der deutsche Springschwanz-Experte Dr. Hans-Jürgen Schulz antwortete auf meine Nachfrage umgehend: «Es ist tatsächlich so, dass Allacma fusca mit Vorliebe den Algenbewuchs von Baumstubben etc. abweidet. Dies ist besonders bei feuchtem Wetter zu beobachten, da die hohe Luftfeuchtigkeit sehr ‹angenehm› für ihn ist (und er auch Wasser über die Algen aufnimmt). Sie können auch gerne die Videosequenzen auf der Internetseite der Abteilung Bodenzoologie des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz hierzu ansehen (Insekt des Jahres 2016).» Siehe www.senckenberg.de/goerlitz, www.soil-organisms.org, www.edabhobase.org
Populärer Allerweltskerl
Im Gegensatz zum Kugelspringer gehört der ebenfalls vorwiegend im Wald lebende Buntspecht zur Prominenz unserer Tierwelt. Dank seiner Größe und dem auffallend gefärbten und gemusterten Gefieder ist er unverwechselbar, und zudem macht er mit seinem Trommeln akustisch auf sich aufmerksam. Der Buntspecht ist dermaßen beliebt, dass er bereits zum zweiten Mal auf dem Podest steht, war er doch bereits 1997 Vogel des Jahres. Wie erklärt BirdLife Schweiz die geballte Ehrbezeugung? Er sei ein perfekter Botschafter für große Bäume und Hecken im Siedlungsraum: «Große, einheimische Bäume kommen durch das verdichtete Bauen unter die Räder und müssen bei Neubauprojekten wieder bewusst eingeplant werden. … Sogenannte Biotopbäume sind wichtige Elemente im Wald. Oft beherbergen sie eine riesige Artenvielfalt.» Nicht viel anders wurde die Wahl 1997 vom deutschen Vogelschützer Klaus Ruge zusammenfassend begründet: «Der Buntspecht, dieser Allerweltskerl, ist ein guter Anzeiger für die Lebensraumqualität im Wald.» http://www.birdlife.ch/de/node/2752