Auch in der Ardèche zeigt uns der Frühling die kalte und ziemlich nasse Schulter: Der Mai war von Schneestürmen, Dauerregen und heftigen Gewittern geprägt, und laut Meteo soll es noch eine Weile so weitergehen. Dazu passt, dass unser Internet seit drei Wochen streikt, und auch hier ist kein Ende abzusehen. Was ist bloß mit la douce France los?
Das macht Angst
Die Hobbyangler einer Vereinigung, die sich auch um den Schutz der Gewässer kümmert, aus denen sie Fische holen, säubern seit 20 Jahren Ende Mai den Fluss Ouvèze, über dem sich Privas erhebt, der Hauptort des Départements Ardèche. Die Fronarbeit ist selbstverständlich mit einem gemütlichen Teil verbunden, bei dem die Paella und ein Glas Wein nicht fehlen dürfen. François Bouneaud, der Sekretär des Vereins, wird dennoch nachdenklich, wenn er über die Entwicklung seiner Passion und Region berichtet. «Ich habe mit 6 Jahren zu fischen begonnen, und nun bin ich 63! Es ist meine Leidenschaft, das Geräusch des Wassers, das Licht bei Tagesanbruch, die Stille. Wen es einmal gepackt hat, kommt nicht mehr so leicht davon los. Aber die Natur hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Man sieht weniger Insekten, weniger Vögel, und es gibt viel weniger Wasser als vor 50 Jahren. Es sind heimtückische Verschmutzungen, die Schaden anrichten, man beobachtet immer mehr Algen. Das ist nicht gut. Es macht Angst.»
François Bouneaud ist nicht der einzige, der sich Sorgen über die Verarmung der Natur macht. Insekten sind nicht nur in dieser eigentlich intakt wirkenden Gegend erschreckend selten geworden. Die Rede ist von den einheimischen Insekten, von denen es hier früher regelrecht wimmelte. Dafür vermehren sich Eindringlinge wie die Asiatische Hornisse rasend schnell.
In der Nachbarschaft wohnt ein Imker, der sich auf die Zerstörung der Nester dieser Bienenjäger spezialisiert hat. Über Arbeit kann er sich nicht beklagen, die Anfragen werden immer häufiger. Und er selbst ist ebenfalls betroffen: Vor ein paar Jahren musste er ein imposantes Nest in der Nähe seiner Bienenhäuser entfernen, und er zeigt ein Foto auf dem Handy: Dieses Frühjahr haben die geflügelten Asiaten mit dem Nestbau an seinem Wohnhaus begonnen…
Im April, Mai und Juni ist auch in Frankreich Spargelzeit. Ob grün, weiß oder violett – die Stangen schmecken nirgendwo so gut wie in der Gegend, in der sie gestochen wurden. Laurent Dumas zieht sie seit Jahren in Bio-Qualität in der fruchtbaren Erde der Rhoneebene. Sie sind wirklich einzigartig, ich kann mich nicht erinnern, je schmackhaftere und frischere grüne Spargeln gegessen zu haben.
Und nun dies: Mitten in der Erntezeit wurde ein Großteil seiner Parzellen von einer kleinen Wanze heimgesucht, deren Larven sich von den kostbaren Stangen ernähren. Das Gemeine Spargelhähnchen (Crioceris asparagi) hat beim Gemüsebauern erhebliche Schäden angerichtet, er konnte dem Bioladen Satoriz nur einen Bruchteil der üblichen Menge liefern. Was Wunder, dass Laurent der nächsten Spargelsaison mit großer Sorge entgegenschaut…
Da ist der Wurm drin
Nicht nur die Insekten machen sich rar, auch andere Lebewesen wie die Regenwürmer sind zu einer selten gesichteten Spezies geworden. Doch heute morgen kroch ein beachtliches Exemplar von rund fünfzig Zentimeter Länge über den Weg. Es gibt ihn also noch, den rosafarbenen Erdarbeiter! Aber wie lange? Ein neuer bedrohlicher Feind, der ursprünglich aus Vietnam und Kambodscha stammt, wandert unaufhaltsam aus dem Süden Frankreichs in Richtung Norden und ist jetzt in der Ardèche angelangt.
Bipalium kewense ist ein bis etwa einen Meter langer, schwarz bis bräunlich glänzender Strudelwurm, der aussieht, als sei er plattgewalzt. Die invasiven Exoten mit dem dreieckigen Hammerkopf ernähren sich von Regenwürmern, die sie durch einen neurotoxischen Giftbiss töten. Sie sind zudem am ganzen Körper mit einem Schleim überzogen, der Fressfeinden den Appetit vergällen soll und bei Menschen Allergien auslösen kann. Vermutlich wurde er wie mindestens zehn weitere Plattwurmarten des Stammes Plathelminthes durch Pflanzenimporte eingeführt. Fazit: Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis der Regenwurmkiller aus Asien auch in der Schweiz und Deutschland Einzug hält.
PS: Der Rückgang der Vögel in Frankreich wird nun offiziell als ökologische Katastrophe bezeichnet. Schuld daran seien vor allem der Insektenschwund, der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft sowie die Agrarpolitik der EU, die Brachen nicht mehr fördert. Dem ist beizufügen, dass auch Naturinseln wie die Ardèche von diesem Phänomen betroffen sind. Statt von Vogelgezwitscher wird man morgens wohl bald vom Surren der Drohnen geweckt…