Nicht alles war früher besser, da gehe ich mit den Neuen Optimisten einig, aber einiges schon. Zum Beispiel der Sommer, der weitgehend positiv besetzt war. Man freute sich auf eeewiglange Schulferien, auf heiße Tage an Seen und am Meer, auf Rimini, Jesolo und Venedig, aufs Bergwandern, aufs Glaceschlecken, Cervelatbräteln und aufs Feuerwerk am 1. August. Heute lesen und hören wir täglich, wie katastrophal dieser Sommer ist und die kommenden Sommer sein werden. Er bringt Hitzetote, Dürre, hungernde Kühe, verzweifelte Bauern und Älpler, Massentourismus mit allem Drum und Dran, erstickende Fische in Seen und Flüssen, vermüllte Meere, serbelnde Korallenriffe, Feuer- und Grillverbote und schließlich auch noch eine Wespenplage, die in den Medien fette Schlagzeilen macht.
Feuerwehr und Apotheken im Einsatz
Die Deutschschweiz hat zuerst Alarm geschlagen. Es gebe diesen Sommer nicht nur außerordentlich viele Wespen, sie seien auch extrem aufdringlich, so dass man im Freien kaum mehr in Ruhe essen könne. Die Arbeiterinnen fliegen vor allem auf Fleisch, von dem sie Stücke abbeißen, ins Nest transportieren und zerkaut den Larven verfüttern. Die Larven revanchieren sich dafür mit einem nahrhaften Sekret, das von den Eiweißlieferantinnen gierig aufgeleckt wird. Auch über Süßigkeiten , reife Beeren und Früchte machen sie sich gerne her. Die Hautflügler – in Mitteleuropa gibt es ungefähr 60 bekannte Arten – haben nicht nur kräftige Mundwerkzeuge, auch ihr Stachel am Hinterleib ist wehrhaft. Es scheint, dass immer mehr Menschen auf ihr Gift, eine Mischung aus Proteinen, Aminosäuren, Histamin, Serotonin und Acetylcholin, allergisch reagieren. Der Ansturm auf die Apotheken ist entsprechend groß, so dass in Luzern die Nachfrage nur noch mit Mühe befriedigt werden kann…
Im Wallis, dachte ich, machen sich die Wespen dieses Jahr hingegen rar. Ein einziges Exemplar hat bis Mitte August den Weg zu unserem Gartentisch gefunden, zwei weitere haben sich in den letzten drei Tagen in unseren Tellern bedient und sind mit vollen Kiefern wieder abgeschwirrt. Gibt’s einen Grund für ihr Ausbleiben? Im Internet stieß ich dann auf den am 8. August bei 1815.ch erschienenen Artikel von Cédric Zengaffinen über den Kampf, den die Feuerwehr von Gampel-Steg gegen die Invasion der Wespen führt, die wegen des Temperaturanstiegs nun auch in höheren Lagen vorkommen.
Pikett-Offizier Herbert Hildbrand: «Vor zehn, zwölf Jahren wäre ein Wespennest in Jeizinen, auf 1525 Meter, undenkbar gewesen. Dieses Jahr entfernten wir dort bereits eines, ein weiteres erwartet uns am Freitag.» Und am folgenden Tag hat sich auch der Nouvelliste diesem Thema gewidmet – die gefürchteten Insekten halten demnach nicht nur die Feuerwehrleute im Oberwallis auf Trab. Nur den Montorge, der unter Naturschutz steht, finden sie offensichtlich nicht besonders attraktiv.
Übrigens: 2016 machten die Fachleute den verregneten Frühling und den heißen, trockenen Sommer für das Ausbleiben von Wespen, Mücken und Faltern verantwortlich.
Treffpunkt Sommerflieder
Wie dem auch sei, jetzt wird der große Sommerflieder- oder Buddlejabusch im Garten von unzähligen Hummeln, Bienen und Faltern umschwirrt. Da ich die verblühten Rispen jeweils entferne, blüht er lange und üppig. Laut Herders Lexikon der Biologie werden die stark duftenden Blüten wegen ihres Nektarreichtums besonders von Schmetterlingen besucht.
Dass sich die darum auch Schmetterlingsstrauch genannte Zierpflanze auf die Insekten negativ auswirken soll, erwähnt das 1983 erschienene 9-bändige Nachschlagewerk nicht. Ein ausführliches Plädoyer zu diesem Thema findet sich in meinem Blog vom 12. Oktober 2015: «Pflanzen mit schlechtem Ruf».
Der Berner Züchter von Schmetterlingsraupen Marc de Roche wurde durchs Fernsehen (Aeschbacher) und die Coop-Zeitung schweizweit bekannt. Papa Papillon, so sein verdienter Übername, betont, dass nicht nur die Raupen, sondern auch die Falter Nahrung brauchen. Unter den Pflanzen, die für Schmetterlinge geeignet seien, zählt er unter anderen den Sommerflieder auf. Im Hochsommer, wenn die Wiesen gemäht sind und an Bäumen und Sträuchern kaum mehr etwas blüht, retten sie – ob «böse» Neophyten oder nicht – viele Insekten vor dem Hungertod.
Mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (Bafu) bekämpft eine Gruppe von rund 60 Freiwilligen unter Leitung von Christiane Sollberger die «fremden Pflanzen, die sich über Grenzen hinweg ausbreiten» mit großer Vehemenz. Zufrieden ist die Berner Rentnerin, wenn die Wiesen in sattem Grün leuchten, ohne störende Blüher aus fremden Landen. Unter ihren fleißigen Helfern befinden sich übrigens laut NZZ auch einige Asylsuchende.
PS: An jedem 3. Samstag im August ist Welttag der Honigbiene. Und am 21. Juli feierte man den Tag der invasiven Neophyten…