Als Sachbuchautorin und gelernte Buchhändlerin lag es für mich anfangs auf der Hand, das Thema «Insektenschwund» wie gewohnt in Form eines Buches an die Öffentlichkeit zu bringen. Dass es immer weniger Insekten gibt, beobachte ich über einen längeren Zeitraum vor allem in der Schweiz und in Südfrankreich. Es ist ein Prozess, der seit ungefähr zwanzig Jahren fortschreitet und von der Fachwelt meines Erachtens zu wenig ernst genommen wird. Doch das Buch, so lieb es mir ist, scheint mir dafür nicht das geeignete Medium zu sein. Es dauert in der Regel recht lange, bis es geschrieben und gedruckt ist, ganz abgesehen davon, dass die Suche nach einem Verlag dauern kann – und nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Außerdem hat sich dann möglicherweise in der Zwischenzeit so vieles ereignet und verändert, dass das druckfrische Werk bereits wieder Makulatur ist… Der Blog hat da den Vorteil, nicht nur flexibler zu sein, er erlaubt auch den Erfahrungsaustausch, was in diesem Zusammenhang besonders interessant zu sein verspricht. Ich bin jedenfalls gespannt.
So grün ist mein Tal
Mit meinem Mann Robert und unserem Hund Truffo (seit zwei Jahren ein Lagotto romagnolo, ein italienischer Trüffelhund, der jedoch bis jetzt kein Interesse an der Superknolle gezeigt hat) verbringe ich seit dreißig Jahren etwa drei Monate pro Jahr im Eyrieux-Tal, das im 2001 gegründeten Regionalpark Monts d’Ardèche liegt. Das auch «vallée verte» genannte Flusstal in den Cevennen hat sich in dieser Zeit kaum verändert. Nach dem kleinen Stausee von Le Cheylard fließt die Eyrieux nach wie vor durch wilde Schluchten, bewaldetes und terrassiertes Gelände. Die alten, zum Teil zu Wohnhäusern umgebauten Spinnereien und Webereien am Ufer stammen aus der Zeit, als die Seidenraupenzucht hier eine wichtige Rolle gespielt hatte. Sie wurde vom Obst- und Gemüsebau abgelöst, die weißen Pfirsiche und Frühkartoffeln aus dieser Gegend sind französischen Gourmets ein Begriff. Weinbau wird nicht betrieben, und statt Rindern werden vorwiegend Ziegen gehalten, aus deren Milch die kleinen, köstlichen Picodons produziert werden (die besten gibt’s bei M. Ramel auf dem Samstagsmarkt in Saint-Sauveur-de-Montagut). Intensivlandwirtschaft ist in diesem Gelände kein Thema. Dafür ziehen immer mehr junge Leute hierher, um als Biobauern ihr Glück zu versuchen. Das hat Tradition: Unser inzwischen verstorbener Nachbar verzichtete schon vor fünfzig Jahren aus Überzeugung auf Chemie.
Und dennoch…
Die Menge und Vielfalt an Schmetterlingen, Schlupfwespen, Heuschrecken, Käfern, Spinnen usw. in unserem Tal war früher schlichtweg überwältigend. Das konnte durchaus auch lästig werden, zum Beispiel beim Essen, wenn sich die Wespen scharenweise über das Fleisch hermachten, um ihre Brut zu füttern. Oder abends Fenster und Türen mit Nachtfaltern und anderen Insekten übersät waren, so dass man sie nicht mehr zu öffnen wagte. Doch wie gesagt, nach und nach wurden es weniger. Und heute, im Jahr des Lichts, können wir nachts die Lampen draussen problemlos einschalten – es zeigt sich kaum je ein Insekt. Auch Feldheuschrecken und Gottesanbeterinnen sieht man keine, obwohl es Anfang August ist…
Im Kanton Wallis, wo wir seit zehn Jahren leben, sieht es nicht viel anders aus. Auch dort kann man vor einer geradezu mustergültig blühenden Magerwiese stehen, ohne einen einzigen Schmetterling zu entdecken. Und dies in einem Naturschutzgebiet bei Sitten/Sion ebenso wie in einem alpinen Hochtal, wo Rinder, Schafe und Ziegen wie anno dazumal gehalten werden.
Was geht hier vor? Welche Ursachen könnte dieses Phänomen haben? Glyphosat kann meiner Ansicht nach nicht der einzige Grund dafür sein. Tschernobyl? Der Blutzoll des Straßenverkehrs? Oder ist es die Summe zahlreicher Einflüsse? Ich weiß, dass dieser Blog den dramatischen Insektenschwund nicht aufhalten oder gar rückgängig machen kann. Es wäre schon positiv, wenn er dazu beiträgt, dass dieser vielschichtigen und unheimlichen Entwicklung größere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Und noch etwas: Auch gute Nachrichten haben in diesem Blog ihren Platz. Zum Auftakt geht es im nächsten Artikel um die Zikaden, die diesen Sommer auch in der Nacht singen.
Claudia Schnieper