EIN BAUM FÜR GÖTTER UND BIENEN

650x365_sion_hiverEs hat geschneit. Endlich. Das fahle Braungrün wird von einer weißen, wenn auch dünnen Decke kaschiert. Immerhin. Das Wallis zeigt einmal mehr, dass es ein ausgesprochenes Trockental ist − die Stimmung in den Skistationen war auch schon besser. Dafür versinkt Griechenland im Schnee, und Jeffrey S. Kingston (Uhren-, Wein- und Gastrokenner) schwärmt in seinem Neujahrs-Mail von spektakulären 160 cm Tiefschnee und einer Menge Sonnenschein in seinem geliebten Sun Valley in Idaho, wo die Berge und die Chalets nicht viel anders aussehen als in den Schweizer Alpen. Müssen wir uns darauf einstellen, zum Skifahren künftig in die USA zu jetten?

goetterbaum-ganzDer schöne Exot muss verschwinden!
Hierzulande hat man dem Götter- oder Himmelsbaum (Ailanthus altissima) den Kampf angesagt. In Sion und Sierre ist seit diesem Dezember eine gnadenlose Ausrottungsaktion in Gange. Der Invasor wachse zu schnell in die Höhe, produziere zu viele Samen, breite sich unaufhaltsam aus und erobere die umliegenden Wälder, wo er die einheimischen Bäume verdränge. Außerdem koste der Krieg gegen den lästigen Fremdling eine Stange Geld.

k_1476356812Ja, es gibt in unserer Gegend Götterbäume. Und es wäre jammerschade, würden sie alle verschwinden. Ich habe ein wenig in den Büchern gestöbert und bin auf erstaunliche Informationen gestoßen, die das neuerdings verfemte Bittereschengewächs rehabilitieren. Demnach wurde der aus Südostasien stammende Götterbaum um 1730 erstmals in England in Parks und an Straßenrändern angepflanzt und verbreitete sich nach und nach in Süd- und Mitteleuropa. Dank seinen gelb-roten Früchten ist er höchst  dekorativ, und seine übrigen Eigenschaften machen ihn eigentlich ausgesprochen sympathisch.

Ailanthus altissima var. altissima / Chinesischer Götterbaum / Tree of Heaven / Ailanthe glanduleuxAus dem Harz seiner rissigen Rinde gewinnt man Räucherwerk sowie Heilmittel gegen Durchfall, Würmer und andere Beschwerden. Aus dem Holz wurden früher Fischerboote gezimmert und Holzschuhe geschnitzt. Außerdem übersteht der Götterbaum lange Dürreperioden und Temperaturen bis minus 30 °C problemlos, stellt keine Ansprüche an den Boden und ist gegen urbane Luftverschmutzungen resistent. Die duftenden Blüten sollen zudem viel Nektar produzieren und von Bienen und anderen Insekten intensiv besucht werden. Sein Honig ist laut Wikipedia würzig und wohlschmeckend, mit muskatellerartigem Aroma. Und die Pollen des Götterbaums sollen ein neues potentielles Allergen darstellen. Eine Augen- und Bienenweide also, wirklich ein Götterbaum, für den das Zentral- und Unterwallis grundsätzlich ein idealer Standort wäre! Aber eben doch ein böser Neophyt…

musee-de-la-nature-sionIns Museum statt auf die Piste
Der Schneemangel hat auch Vorteile. Man nimmt sich beispielsweise endlich Zeit, ins Naturmuseum in Sitten zu spazieren, um die Mini-Ausstellung von Wildbienen des Entomologen Maurice Paul (1835−1898) aus dem späten 19. Jahrhundert zu besichtigen. Zugegeben: Sensationell sind die beiden Kästen beim Eingang nicht. Sie führen jedoch auch Laien auf einen Blick vor Augen, welche Vielfalt an Größe und Formen «die sensible Welt der Wildbienen» entwickelte. Die spannend inszenierte Ausstellung zum Thema «Der Mensch und die Natur im Wallis» ist natürlich ebenfalls einen Besuch wert.wildbienen

Und schließlich singt der in Zürich lebende Künstler Heinrich Röllin auf seiner Neujahrskarte ein beeindruckendes Loblied auf die Imme:

«Eine Biene wiegt 80 Milligramm und bringt von einem Flug 50 Milligramm Pollen. Auf Kleeblüten sind 1500 Besuche notwendig, bis ein Bienenmagen gefüllt ist, aber eine Biene muss 60mal ihren Magen leeren, wenn sie nur einen Fingerhut Nektar sammeln will. Man nimmt an, dass 20 000 Bienenflüge notwendig sind, um einen Liter Nektar einzubringen. Aus einem Liter Nektar werden aber nur 150 Gramm Honig gewonnen. 1 Kilogramm Honig ist demnach die Lebensarbeit von 6000 Bienen. Und das alles unentgeltlich!»