WER IST SCHULD AN DER GEFLÜGELPEST?

Der Schnee meint es dieses Jahr wieder einmal nicht gut mit den Wintersportdestinationen. Wir sollten jedoch die Hoffnung nicht aufgeben, denn die Muotathaler Wetterschmöcker haben weiße Weihnachten prophezeit. Und schließlich genießen auch viele den milden Spätherbst bzw. Winteranfang. Das Rindvieh und die Schafe zum Beispiel, die es sich draußen auf der Weide wohlsein lassen. Auch tierfreundliche Geflügelzüchter könnten ihre Hühner, Enten und Gänse tagsüber ins Freie lassen. Es soll jedoch nicht sein: Wegen der Vogelgrippe dürfen sie nur unter gewissen Bedingungen nach draußen, viele haben sogar strikten Stallarrest… Und ein Ende ist nicht abzusehen.

thdf415v87Am falschen Ende aufgezäumt?
Wenn wilde Enten und Schwäne gefunden werden, die am Vogelgrippevirus verendet sind, kommt Alarmstimmung auf. Begreiflich, denn in Deutschland mussten bisher über 150’000 Tiere «gekeult» werden. Als Schuldige für diese Geflügelpest werden offiziell die Zugvögel bezeichnet, die das H5N8-Virus mit dem Kot übertragen.

Nun regt sich in deutschen Naturschutzkreisen Widerstand. Nicht die Wildvögel seien die Ursache der Pandemie, sondern die Geflügelindustrie und ganz allgemein die Massentierhaltung. Der Naturschutzbund (Nabu) wirft den zuständigen Behörden gar Desinformation vor. Verantwortlich dafür seien unter anderem Importe von Agrarprodukten aus China und Thailand, die Geflügelkot enthalten. Dazu gehören Einstreu für die Ställe und, noch appetitlicher, industrielles Fischfutter.verpacken

Der Biologe Josef H. Reichholf (71) ist ein vielseitiger Geist: er machte (und macht) sich als Ornithologe, Evolutionsbiologe, Tiergeograf, Ökologe und Naturschützer einen Namen. Ich habe ihn als brillanten Autor von Das Rätsel der Menschwerdung (1990) und Der schöpferische Impuls (1992) kennengelernt. Ungeachtet seines Renommees eckt er immer wieder an, weil er sich erlaubt, gegen den Strom zu schwimmen und mit seiner Kritik auch den Naturschutz nicht verschont. reichholfIm Spiegel Nr. 51/2016 äußert sich Reichholf zur Vogelgrippe, und zwar ebenfalls im Sinne des Nabu. «Im Spätherbst wird in großem Umfang Gülle und Mist auf die Felder gebracht. Vieles spricht dafür, dass der Erreger schon in Massentierställen verbreitet war und von dort nach draußen gelangte. Krähen beispielsweise, die auf den Feldern nach Futter suchten, könnten den Erreger dann zu nahegelegenen Gewässern getragen haben, wo sich schließlich Wildenten und Schwäne ansteckten. Bis heute wird ja nicht untersucht, welche Krankheitskeime mit Geflügelmist und Gülle in die Umwelt gebracht werden.»

huehner345Falsche Maßnahmen
Die Stallpflicht hält er nicht nur für sinnlos, sondern für gefährlich: «Ausgerechnet die Halter von freilaufenden Hühnern, bei denen fast nie Vogelgrippe auftritt, werden gezwungen, ihre Tiere einzusperren, was sie anfälliger für Infektionen macht.» Ebenso wenig hält er von der Leinenpflicht für Hunde, nimmt jedoch die Jagd ins Visier: «Durch die Jagd wird die Ausbreitung von Seuchen massiv gefördert. Sobald es knallt, fliegen die nicht getroffenen Vögel aufgeschreckt auf und flüchten zum nächsten Gewässer. So werden die Vogelgruppen ständig neu durchmischt, infizierte Tiere stecken nichtinfizierte an.»

epa00130203 A Balinese woman prays during a chickens mass cull at Bolangan village, Tabanan district 30 Kilometers Northwest Bali capital of Denpasar Friday 06 February 2004. Bali district officials on Friday held a traditional Hindu cremation ceremony to cull some 500 dead chickens infected by avian influenza, the virus that has claimed at least 16 lives in other Asian countries. The "ngaben" cremation ceremony, usually reserved for humans, was staged by the district authorities of Tabanan, 20 kilometres west of Bali's capital Denpasar, to demonstrate the island's determination to stop the spread of bird flu among its poultry population. EPA/WEDAWie schlimm die Vogelgrippe in Asien wütet, illustriert eine aktuelle Meldung der NZZ: In Südkorea seien im November fast zehn Millionen Hühner und Enten gekeult worden, und weitere 2,5 Millionen müssen vorsorglich getötet werden.

Beim Anblick der engstens zusammengepferchten, struppig befiederten Hühner, Enten, Gänse und Puten vergeht einem sowieso der Appetit, und man kann nur hoffen, dass Reichholf und alle andern, die für eine tierfreundlichere Agrarwirtschaft kämpfen, es nicht ganz nutzlos tun. Um beim Thema dieses Blogs zu bleiben: Das käme nicht nur den Vögeln, sondern auch den Insekten zugute!

 

 

 

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