BESTÄUBER IM STREIK?

SaillonLetzte Woche war das Wetter endlich so, wie man sich den Frühling bei uns vorstellt: milde Temperaturen über 20 Grad und blauer Himmel. Zeit, um mit Freunden aus dem Waadtland den lange versprochenen Ausflug zu machen. Die Steppjacken konnte man getrost zu Hause und den Tisch im Restaurant Poste im mittelalterlichen Saillon draußen reservieren lassen. Nach dem Spaziergang zum kuriosen Farinet-Weinberg, zur Burgruine und zur Kirche mit ihrem gepflegten Kräutergarten und dem Mittagessen ging’s ins Dörfchen Charrat, das für seine Adonisröschen berühmt ist, die in der Schweiz nur im Unterwallis vorkommen.

Viele Zweibeiner…
… aber erstaunlich wenige Zweiflügler sind auf den Hügeln über Charrat unterwegs. Die Adonisröschen bilden in der kargen Trockensteppe goldgelbe Polster, die allseits bewundert und fotografiert werden. Manche Blumenfreunde reisen dafür jedes Jahr von weither an, und wenn es das Wetter erlaubt, findet im April jeweils ein Adonis-Fest statt (dieses Jahr fiel es buchstäblich ins Wasser, da es sozusagen jedes Wochenende regnete). Aber wie gesagt, Bienen entdeckten wir in diesem Blumenparadies keine, auch keine Hummeln oder Schmetterlinge, obschon es mindestens 22 Grad und windstill war. Ist das normal?Adonis 1

Schopf 2Am Tag zuvor hatten wir die übliche Montorge-Umrundung etwas ausgedehnt und stiegen zur Burgruine hinauf. Die Aussicht ins Rhonetal und in die verschneiten Berge war traumhaft. Das fanden auch die beiden älteren Damen (noch etwas älter als wir…), die ebenfalls zur Madonna gewandert waren. Unterhalb der Statue blüht ein dichter Pulk von Schopfigen Bisamhyazinthen (in Italien gelten die Lampascioni genannten Zwiebeln dieser blauen Weinbergblume übrigens als Delikatesse). An der steilen Südflanke des Montorge ist sie häufig, so schön wie hier auf dem Gipfel habe ich sie allerdings noch nie gesehen. Und das Größte: Sie wurden von zahlreichen Schmetterlingen in allen Farben umtanzt! Das begeisterte uns so sehr, dass das Fotografieren vergessen wurde. Auch die Bernerinnen waren entzückt: So viele Falter auf einmal hätten sie schon lange nicht mehr gesehen. Vollbrachte die Madonna das Wunder? Denn sonst bleibt es in den Bäumen und Sträuchern, die voll in Blüte stehen, erschreckend still, kaum ein Brummen und Summen ist zu hören.

BienenEin Anwalt der Bienen
Professor Dr. Peter Neumann, 1967 geboren, hat sich beruflich einem Nutztier verschrieben, das immer mehr Bedeutung gewinnt. Der Deutsche leitet das 2013 gegründete Institut für Bienengesundheit an der Uni Bern und ist Präsident eines internationalen Netzwerks von 600 Forschern in 80 Ländern, die sich um die Zukunft der Honig- und Wildbienen sorgen. In einer 3sat-Sendung vom 22. Februar 2016 lässt er keine Zweifel daran, dass Neonicotinoide Honigbienen und anderen wildlebenden Insekten wie Motten und Schmetterlinge grundsätzlich schaden. Er stützt sich dabei auf eine umfassende Studie, die der EU-Kommission als Grundlage zur künftigen Regelung dienen soll.

Für Bayer und Syngenta, die beiden wichtigsten Produzenten dieser Pflanzenschutzmittel, ist dieses Ergebnis ein Tiefschlag, den sie nicht so einfach hinnehmen. Reaktionen vermeintlich unabhängiger Experten im Bereich Landwirtschaft , Biologie, Umwelt usw., zum Beispiel in der neuen Ausgabe von «Science & pseudo-sciences» Nr. 316, zeigen, dass oft mit verdeckten Karten gespielt wird. Die Wissenschaftlichkeit dient nicht selten als Vorwand, um die Auswirkungen der Pestizide zu verharmlosen und die Gegenseite als fanatische Ideologen zu verunglimpfen. Peter Neumann: «Es gibt einen Kleinkrieg mit der Industrie, die den schädlichen Einfluss einzelner Stoffe gerne geringer veranschlagen würde.» Rasches Handeln sei jedoch angesagt, weshalb er jahrelanges Forschen und Diskutieren über die Folgen der einzelnen Substanzen ablehnt. NeumannEr bleibt jedoch pragmatisch: «Extremforderungen führen zu nichts. Man muss den Ertrag, den man auf einer landwirtschaftlichen Fläche erzielen will, in ein Verhältnis setzen zum Schaden, den man nützlichen Insekten zufügt.» Beim Raps könne man wahrscheinlich nicht auf den Einsatz von Pestiziden verzichten, beim Mais jedoch schon. Die chemische Keule sollte seiner Meinung nach zum letzten Mittel werden.

30 Jahre nach Tschernobyl

WolfHeute, am 26. April 2016, ist es genau drei Jahrzehnte her, seit der Reaktor in der Ukraine explodierte. Das Kerngebiet ist nach wie vor verseucht, was sich auch auf die Pflanzen- und Tierwelt auswirkt. In der Gegend um Tschernobyl ging nicht nur die Vielfalt der Vögel zurück, sie haben auch kleinere Gehirne als solche, die in nicht verstrahlten Gebieten leben. Und es gibt hier auch heute noch deutlich weniger Spinnen und Insekten wie Bienen, Schmetterlinge, Heuschrecken und Libellen als in anderen vergleichbaren Gegenden. Dafür seien die Großen Vier – Wolf, Bär, Luchs und Hirsch – auf dem Vormarsch. Über ihren Gesundheitszustand ist allerdings noch keine Studie gemacht worden.

Quellen: Interview mit Peter Neumann im «Bund» vom 17.10.2015 (auch im Interet) und Bericht über Neonicotinoide unter www.3sat.de

 

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