UND WO BLEIBEN DIE FRÖSCHE?

Es blüht und sprießt, pfeift und jubiliert allenthalben. Der Frühling kommt nun wirklich mit Macht, und obwohl man von den politischen Machtdemonstrationen einiger Herren mehr als genug hat, lässt man es sich vom Lenz gerne gefallen. Am Montorge bei Sion stehen die Mandel- und Kirschbäume im Blust, die Hänge sind voller Berganemonen, der Wald schmückt sich mit Leberblümchen, und entlang der Suone schießt die Färberwaid in die Höhe. Es fehlt eigentlich nichts zum Glück. Außer den Grasfröschen und Erdkröten, die sich dieses Jahr rar machen.

Ohne Insekten keine Frösche
Das Rhonetal war früher ein einziges Amphibienparadies. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aus mancherlei Gründen geändert. Die Trockenlegung zahlreicher Teiche und Weiher in der Ebene, die Erweiterung des Straßennetzes und Insektizide werden als die wichtigsten genannt. Laut dem Walliser Biologen Pierre-Alain Oggier ist der Grasfrosch jedoch erstaunlich berggängig und wurde sogar im Riffelsee oberhalb von Zermatt auf 2757 m ü.M. gesichtet. Ob es dort Nachwuchs gibt, ist nicht erwiesen, aber im See von Morgins, auf 1366 m, war sein Brutgeschäft erfolgreich: 1985 wurden dort rund tausend Grasfrösche gezählt. Grasfrösche sind sehr anpassungsfähig und vollbringen bei ihrer Wanderung zum Laichplatz eine beeindruckende Leistung. Ihr Ziel ist der Weiher, in dem sie aus dem Ei geschlüpft waren und sich zum Fröschlein entwickelt hatten.

Eigentlich sollte im kleinen Lac de Montorge und den umliegenden Tümpeln momentan Hochbetrieb herrschen. Die meteorologischen Verhältnisse sind ideal: Es hat mehrmals geregnet bei milden, frühlingshaften Temperaturen. Dennoch sieht und hört man nur ein paar vereinzelte Tiere, und auch die Laichklumpen sind rar. Dasselbe gilt für die Erdkröten, die noch vor dreißig Jahren im Wallis bis auf eine Höhe von 1500 m in zum Teil bemerkenswert großen Populationen vorkamen. Wenn es jedoch so wenig Insekten gibt wie letztes Jahr, ist es nicht erstaunlich, dass die Bestände der Frösche und Erdkröten schrumpfen.

Damit wären wir wieder einmal bei den Pestiziden. Migros und Coop haben beschlossen, ihren Gemüse- und Obstlieferanten in dieser Beziehung noch genauer auf die Finger zu schauen. Dadurch sollen nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Arbeiter und die Umwelt geschont werden. Für die Tierwelt ist das eine gute Nachricht. Die beiden Großverteiler halten sich dabei an die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO. Für das Bundesamt für Landwirtschaft geht das jedoch zu weit. Man halte sich vorläufig an die bestehenden eidgenössischen Vorschriften. Neuste amerikanische Studien über Neonicotinoide deuten übrigens darauf hin, dass diese Stoffe nicht nur Bienen und andere Insekten schädigen, sondern sich auch auf das menschliche Gehirn negativ auswirken könnten.

Der Wind, der Wind, das himmlische Kind!
Die Schweiz rühmt sich, wo sie kann, ihrer wunderschönen Landschaft, die Touristen aus allen Ecken der Welt anlocken soll. Der Tourismus ist denn auch für unser Land ein enorm wichtiges Standbein, selbst wenn es hier und dort etwas schwächelt. Zermatt, Verbier, St. Moritz, Gstaad sind die Highlights, aber auch die übrigen Alpentäler und der Jura werden von den Ausländern und Einheimischen geliebt, weil hier die Welt noch einigermaßen intakt wirkt.

Und nun will unser Bundesrat dieses Juwel mit Windturbinen zerstören. Der Gewinn an «sauberer» Energie ist lächerlich gering, das ficht jedoch unsere Regierung nicht an.

Der Verband «Freie Landschaft Schweiz» versucht, diesen Irrsinn abzuwenden: «1000 Windkraftwerke sind nötig, um das Ziel der Energiestrategie 2050 von 4.3 Terawattstunden Windstromproduktion zu erreichen. Nur gerade 6% wären so durch die Windkraft gedeckt. (…) Die Windturbinen bringen einen gravierenden Schaden für die am meisten geschützten und bekannten Landschaften unseres Landes. Gemäß den kürzlich veröffentlichten Schweizer Studien sind 30 000 bis 70 000 getötete Vögel pro Jahr zu erwarten, so auch geschützte und vom Aussterben bedrohte Arten.»

Das sind allzu viele Opfer für das bisschen Strom, der zudem bei Windstille ausbleibt. Dasselbe gilt für die Sonnenenergie bei bedeckten Himmel (man denke nur an den zähen Hochnebel über dem Mittelland im letzten Herbst und Winter). Der Verband empfiehlt darum dringend, am 21. Mai 2017 die Energiestrategie 2050 abzulehnen. Mehr unter www.freie-landschaft.ch.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass der gesunde Menschenverstand der Windenergie-Lobby und ihren seltsamen Argumenten den Wind aus den Segeln nimmt.

 

  

BESTÄUBER IM STREIK?

SaillonLetzte Woche war das Wetter endlich so, wie man sich den Frühling bei uns vorstellt: milde Temperaturen über 20 Grad und blauer Himmel. Zeit, um mit Freunden aus dem Waadtland den lange versprochenen Ausflug zu machen. Die Steppjacken konnte man getrost zu Hause und den Tisch im Restaurant Poste im mittelalterlichen Saillon draußen reservieren lassen. Nach dem Spaziergang zum kuriosen Farinet-Weinberg, zur Burgruine und zur Kirche mit ihrem gepflegten Kräutergarten und dem Mittagessen ging’s ins Dörfchen Charrat, das für seine Adonisröschen berühmt ist, die in der Schweiz nur im Unterwallis vorkommen.

Viele Zweibeiner…
… aber erstaunlich wenige Zweiflügler sind auf den Hügeln über Charrat unterwegs. Die Adonisröschen bilden in der kargen Trockensteppe goldgelbe Polster, die allseits bewundert und fotografiert werden. Manche Blumenfreunde reisen dafür jedes Jahr von weither an, und wenn es das Wetter erlaubt, findet im April jeweils ein Adonis-Fest statt (dieses Jahr fiel es buchstäblich ins Wasser, da es sozusagen jedes Wochenende regnete). Aber wie gesagt, Bienen entdeckten wir in diesem Blumenparadies keine, auch keine Hummeln oder Schmetterlinge, obschon es mindestens 22 Grad und windstill war. Ist das normal?Adonis 1

Schopf 2Am Tag zuvor hatten wir die übliche Montorge-Umrundung etwas ausgedehnt und stiegen zur Burgruine hinauf. Die Aussicht ins Rhonetal und in die verschneiten Berge war traumhaft. Das fanden auch die beiden älteren Damen (noch etwas älter als wir…), die ebenfalls zur Madonna gewandert waren. Unterhalb der Statue blüht ein dichter Pulk von Schopfigen Bisamhyazinthen (in Italien gelten die Lampascioni genannten Zwiebeln dieser blauen Weinbergblume übrigens als Delikatesse). An der steilen Südflanke des Montorge ist sie häufig, so schön wie hier auf dem Gipfel habe ich sie allerdings noch nie gesehen. Und das Größte: Sie wurden von zahlreichen Schmetterlingen in allen Farben umtanzt! Das begeisterte uns so sehr, dass das Fotografieren vergessen wurde. Auch die Bernerinnen waren entzückt: So viele Falter auf einmal hätten sie schon lange nicht mehr gesehen. Vollbrachte die Madonna das Wunder? Denn sonst bleibt es in den Bäumen und Sträuchern, die voll in Blüte stehen, erschreckend still, kaum ein Brummen und Summen ist zu hören.

BienenEin Anwalt der Bienen
Professor Dr. Peter Neumann, 1967 geboren, hat sich beruflich einem Nutztier verschrieben, das immer mehr Bedeutung gewinnt. Der Deutsche leitet das 2013 gegründete Institut für Bienengesundheit an der Uni Bern und ist Präsident eines internationalen Netzwerks von 600 Forschern in 80 Ländern, die sich um die Zukunft der Honig- und Wildbienen sorgen. In einer 3sat-Sendung vom 22. Februar 2016 lässt er keine Zweifel daran, dass Neonicotinoide Honigbienen und anderen wildlebenden Insekten wie Motten und Schmetterlinge grundsätzlich schaden. Er stützt sich dabei auf eine umfassende Studie, die der EU-Kommission als Grundlage zur künftigen Regelung dienen soll.

Für Bayer und Syngenta, die beiden wichtigsten Produzenten dieser Pflanzenschutzmittel, ist dieses Ergebnis ein Tiefschlag, den sie nicht so einfach hinnehmen. Reaktionen vermeintlich unabhängiger Experten im Bereich Landwirtschaft , Biologie, Umwelt usw., zum Beispiel in der neuen Ausgabe von «Science & pseudo-sciences» Nr. 316, zeigen, dass oft mit verdeckten Karten gespielt wird. Die Wissenschaftlichkeit dient nicht selten als Vorwand, um die Auswirkungen der Pestizide zu verharmlosen und die Gegenseite als fanatische Ideologen zu verunglimpfen. Peter Neumann: «Es gibt einen Kleinkrieg mit der Industrie, die den schädlichen Einfluss einzelner Stoffe gerne geringer veranschlagen würde.» Rasches Handeln sei jedoch angesagt, weshalb er jahrelanges Forschen und Diskutieren über die Folgen der einzelnen Substanzen ablehnt. NeumannEr bleibt jedoch pragmatisch: «Extremforderungen führen zu nichts. Man muss den Ertrag, den man auf einer landwirtschaftlichen Fläche erzielen will, in ein Verhältnis setzen zum Schaden, den man nützlichen Insekten zufügt.» Beim Raps könne man wahrscheinlich nicht auf den Einsatz von Pestiziden verzichten, beim Mais jedoch schon. Die chemische Keule sollte seiner Meinung nach zum letzten Mittel werden.

30 Jahre nach Tschernobyl

WolfHeute, am 26. April 2016, ist es genau drei Jahrzehnte her, seit der Reaktor in der Ukraine explodierte. Das Kerngebiet ist nach wie vor verseucht, was sich auch auf die Pflanzen- und Tierwelt auswirkt. In der Gegend um Tschernobyl ging nicht nur die Vielfalt der Vögel zurück, sie haben auch kleinere Gehirne als solche, die in nicht verstrahlten Gebieten leben. Und es gibt hier auch heute noch deutlich weniger Spinnen und Insekten wie Bienen, Schmetterlinge, Heuschrecken und Libellen als in anderen vergleichbaren Gegenden. Dafür seien die Großen Vier – Wolf, Bär, Luchs und Hirsch – auf dem Vormarsch. Über ihren Gesundheitszustand ist allerdings noch keine Studie gemacht worden.

Quellen: Interview mit Peter Neumann im «Bund» vom 17.10.2015 (auch im Interet) und Bericht über Neonicotinoide unter www.3sat.de

 

OSTERN IM ZEICHEN DES PROTESTS

Der Mistral bläst mit aller Kraft und lässt kaum Frühlingsgefühle aufkommen. Noch vor einer Woche lag in der Ardèche bis in die Niederungen Schnee. So winterlich sei es die letzten Monate noch nie gewesen, versichert man uns und weist auf die blühenden Mimosen hin, die unter der Last des Schnees gelitten haben. Das hält die Einheimischen jedoch nicht davon ab, Osterfeste mit der beliebten Eiersuche im Freien zu planen und Protestmärsche durchzuführen. Vive la France, trotz allem!

Kampf den Pestiziden

ImkerNach einer Marathonsitzung haben die Abgeordneten des französischen Parlaments in der Nacht vom 17. auf den 18. März mit 30 Ja- zu 28 Neinstimmen beschlossen, die Neonicotinoide zu verbieten. «Ein Sieg für die Bienen… im Jahr 2018!», relativiert die Tageszeitung Le Dauphiné libéré das Ereignis. Denn bis wann und in welchem Maß das umstrittene Pestizid wirklich nicht mehr gespritzt wird, steht noch keineswegs fest. Die Landwirtschaftslobby wird diese Kröte nicht einfach so schlucken, es wird noch eine Menge Wasser die Rhone und die Seine hinunterfließen, bis das Parlament seinen Willen durchgesetzt hat.

marche_angers_spap20122012 hat das nationale Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (Inserm) verkündet, dass ein Zusammenhang zwischen dem beruflichen Umgang mit Pestiziden und einigen schweren Krankheiten wie Krebs, Parkinson usw. zu bestehen scheine. Außerdem seien Föten im Mutterleib und Kleinkinder großen Risiken ausgesetzt, wenn sie direkt oder ndirekt mit diesen Produkten in Berührung kämen. Dennoch ist der Verbrauch von Pestiziden in Frankreich zwischen 2013 und 2014 um 9,4% gestiegen. Von Reduktion also keine Spur, obschon es 2008 einen Plan Ecophyto gab, der sich zum Ziel gesetzt hatte, den Konsum in den folgenden zehn Jahren um 50% zu senken.

Das Parlament hat sich nicht zufällig am Freitag, 18. März, für das Wohl der Bienen und Bauern eingesetzt: Am 20. März begann nämlich die Woche gegen Pestizide (La semaine pour les alternatives aux pesticides), die in Frankreich ins Leben gerufen wurde und dieses Jahr zum elften Mal auch auf internationaler Ebene durchgeführt wird. Im Programm stehen neben Manifestationen in größeren Städten Ausstellungen, Gartenbesichtigungen, Besuche bei Imkern, Führungen durch Bio-Landwirtschaftsbetriebe, Vorträge für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Bio-Essen in Kantinen, Filmvorführungen mit anschließendem Suppenessen, Handwerkskurse für Insektenhotels usw. Allein in Frankreich finden Hunderte von Anlässen statt, europaweit sind es ungefährt tausend! Ich wollte mich übers Programm der Woche ohne Pestizide in der Schweiz im Internet kundig machen und fand erstaunlicherweise keinen Hinweis darauf… Mehr darüber (auch in Deutsch) unter: www.semaine-sans-pesticides.fr.

Mit oder ohne – das ist die Frage!

grappes_01Daniel Sauvaitre gehört zu jenen Landwirten, die sich nicht vorstellen können, ohne Pestizide zu produzieren. In der Charente kultiviert er 75 ha Apfelbäume und 75 ha Reben. Dazu beschäftigt er 80 Vollzeitangestellte. «Wir brauchen Pestizide, um uns vor Risiken zu schützen, auch wenn wir diese nur im Bedarfsfall einsetzen. Bei den Insektiziden haben wir stark reduziert, auf die Fungizide können wir jedoch nicht verzichten.» Und er argumentiert weiter, dass Bio-Landwirtschaft noch nie auf einer großen Fläche von beispielsweise 2000 ha durchgeführt und die daraus resultierenden Kosten untersucht wurden. Denn die Bevölkerung wohne immer mehr in den Städten und verlange nach billigen Produkten. Ganz unrecht hat er da nicht, wenn ich die – oft fast unanständig tiefen – Preise im Supermarkt mit jenen in der Schweiz vergleiche.

François Veillerette ist anderer Meinung. Der Mediensprecher von «Générations futures», einer bereits 1996 in der Picardie gegründeten Organisation gegen Pestizide, verweist auf die rund 1900 Dephy-Bauernhöfe in Frankreich, die sich für die starke Reduktion von Pestiziden einsetzen und sich dennoch ein anständiges Einkommen sichern: «Das ist eine Frage der öffentlichen Gesundheit. Eine 2015 veröffentlichte Studie schätzt, dass die Kosten für durch Pestizide verursachte Krankheiten in Europa pro Jahr 120 Milliarden Euro betragen.» Zahlreiche Städte hätten zudem bereits freiwillig auf den Einsatz solcher Mittel auf ihren Grünflächen verzichtet. Siehe auch: www.generations-futures.fr

PlakatUnd noch etwas: Am 17. März fand in unserem kleinen, aber feinen Saint-Sauveur-de-Montagut ein Vortrag über die Schwarze Biene der Boutières statt. Weil sie zu wenig Ertrag bringe und unter Viren, Parasiten und vor allem Pestiziden leide, sei sie am Aussterben. Damit sei einerseits die Biodiversität gefährdet, andererseits seien diese einheimischen Bienen besser an ihre Umgebung angepasst als die importierten. Die Anhänger der Abeille noire blicken außerdem mit Misstrauen der von staatlicher Seite geförderten Züchtung einer Super-Biene entgegen, die gegen Pestizide, Viren usw. resistent ist und gewaltige Mengen Honig produziert…  Frohe Ostern!