BRÄME, BREMSEN UND GÖTTERTRANK

gotthardpass_010Der Gotthard und sein brandneuer, 57 Kilometer langer Basis-Eisenbahntunnel standen letzte Woche im Rampenlicht. Die Schweiz jubelte! Fast die ganze Korona war vor Ort, inklusive Merkel, Hollande und Renzi als Vertretern der Nachbarstaaten, um Beifall zu spenden, die meisten wirkten jedoch bei der Fahrt durch das Jahrhundertbauwerk eher gelangweilt. Kein Wunder: Die Reise über den Götter- und Teufelsberg ist nämlich wesentlich spannender als jene durch das Jahrhundertloch. Ich weiß nicht, wie oft wir in den Sommerferien mit Sack und Pack über den Gotthard gen Süden gebraust sind. Abenteuerlich war es jedes Mal, und es wurde jeweils laut gesungen, was in unserer Familie sonst nicht oft vorkam.

Cover Gotthard«Die cheibe Bräme»
Dem Trio der Geschwister Schmid sei Dank gibt es seit 1945 den legendären Hit «Über de Gotthard flüget Bräme» (siehe und höre unter www.youtube.com/watch?v=Z4NcLAWbzy8)!  Ohne diesen schmissigen Ohrwurm wäre die Autofahrt über die Haarnadelkurven hinauf auf den Pass zum Hospiz und dem kalten See nicht halb so lustig gewesen. Das Lied auf die Bremsen, die aufs Blut der Soldaten, Postwagenpferde und übersömmernden Rinder scharf waren, prophezeit, dass das immer so gewesen sei und auch in Zukunft so bleiben werde.gotthardpass-museum-1203-0

Offensichtlich haben sich die Geschwister Schmid getäuscht, denn es heißt, die Blutsauger aus der Familie der Fliegen würden im Gotthardmassiv nur noch selten gesichtet (ich kann mich allerdings nicht erinnern, dort je wirklich Bremsen gesehen zu haben…). Laut einem Artikel der «Aargauer Zeitung» vom 22. August 2014 wird auch das Mittelland immer weniger von diesen «Störenfrieden» heimgesucht. Die Brüder Guido (80)  und Leo (88) Koch aus Büttikon erinnern sich: «Früher konnten wir die Kühe im Sommer nachmittags kaum auf der Weide lassen. Es gab so viele Brämen, dass sich das Vieh dagegen fast nicht wehren konnte.» FLIEGE_620Man habe sich mit rauchenden Feuerkesseln gegen die Plagegeister gewehrt: «Wir haben einst immer noch etwas Gummi verfeuert. Der dadurch entstehende Gestank hatte für die Brämen zusätzlich eine abschreckende Wirkung.» Eine Methode, die sich selbstverständlich nicht empfiehlt, obwohl es schmerzhaft sein kann, wenn Bremsen zuschlagen.

rinderbremse-tabanus-bovinusAuch wenn es nicht jede Frau gerne hört: Blut saugen in der Regel nur die Weibchen, während die Männchen von Blütennektar leben. Und sie sind besonders an schwülen, feuchten Tagen hungrig, weshalb sie auch «Gewitterfliegen» oder «Regenbremsen» genannt werden. Wo sie in Massen auftreten, können Bremsen ganze Viehherden schwächen und beispielsweise in Afrika auch auf Menschen lebensgefährliche Krankheiten übertragen. Vermissen tut man die «cheibe Bräme» darum eigentlich nicht. Trotzdem ist es einmal mehr rätselhaft, warum sie auf dem Rückzug sind. Oder wird uns der feuchte Frühling und Sommeranfang etwa eine Bremseninvasion wie anno dazumal bescheren?

Metsieder und Bienenfreund
alexander-eckert-foto.256x256 Alexander Eckert lebt in einem behäbigen Bauernhaus in Innerberg bei Bern, wo er ein Handwerk ausübt, das in der Schweiz Seltenheitswert besitzt: Er produziert Met, den Honigwein, den schon die alten Griechen, Römer und Germanen schätzten. Der von Stuttgart ins Bernische zugezogene Informatiker hängte seinen Beruf vor sieben Jahren an den Nagel und gründete die erste Metsiederei in der Schweiz. Die Welt der Bits und Bytes war ihm zu kopflastig, er sehnte sich nach mehr Natur und einer Tätigkeit, die ein handfestes Ergebnis hervorbringt. Doch was ist eigentlich Met? Seine Homepage www.metsiederei.ch gibt Auskunft: «Honig gärt von sich aus, wenn er zuviel Wassergehalt besitzt, und wandelt sich so zu etwas Berauschendem, Magischem. In Europa wurde Met im Hochmittelalter vom Traubenwein verdrängt und fast vergessen, obwohl er sich damit sehr gut messen kann. Met ist und war immer schon ein mystisches Getränk.» Dieser vergorene Honig  soll übrigens laut Kneipp der gesündeste Alkohol sein.

honigweinAlexander Eckert ließ sich zum diplomierten Berufsimker ausbilden und stellt heute rund 42 Hektoliter Met in drei verschiedenen Varianten her. Dazu verarbeitet er zwei Tonnen Honig, den er zum größeren Teil in Bioqualität aus Rumänien bezieht, wo es noch «wirkliche Wildwiesen und -flächen gibt, die man in der Schweiz so nicht mehr findet.» Und er befürchtet, dass es zu viele Pestizide und zu wenig Blütenpflanzen gebe, um die Zukunft der Bienen und des Honigs zu garantieren. Er hat jedoch keineswegs vor, seinen Traumjob aufzugeben und siedet weiterhin Met, den Trunk der Götter und Krieger. (Quelle: «marmite», Ausgabe 3, 2016).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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