Der Wiener Entomologe Dr. Bruno Pittioni starb 1952 im besten Mannesalter von 46 Jahren an Lungenkrebs. Der Krieg hatte ihn aus seiner Mittelschullehrer-Laufbahn geworfen, weshalb er nach Sofia auswanderte, wo er am Königlichen Bulgarischen Museum als Assistent tätig war. Später wurde er unter Spionageverdacht eingekerkert und musste sich als Dachdecker und Bauarbeiter durchschlagen. Dennoch hinterließ er zahlreiche Publikationen und eine umfangreiche Sammlung paläarktischer Hummeln.
Sturmerprobt
Die Feldforschung trieb ihn jeweils frühmorgens aus den Federn: «Schon zeitig des Morgens, wenn Gras und Blüten noch triefend nass sind vom Tau und die Temperatur erst wenige Grade über Null erreicht hat, beginnt der Hummelflug in unseren Hochgebirgen. Schon wiederholt habe ich um 7 Uhr früh in 2000 bis 2500 m Höhe ein reges Hummelleben feststellen können; allerdings nur dann, wenn der in diesen Höhen fast immerdar wehende Wind nicht allzu kalt war. Die Sonne spielt weitaus nicht die Rolle, die man ihr gerne zuzuschreiben gewillt ist. Im Gegenteil, an windstillen Tagen kann auch ein feiner Regen herniederrieseln, und der Flug ist dennoch stärker als an sonnenklaren Tagen, an denen ein eisiger Wind um die Alpengipfel braust. Überhaupt gilt für die Hummeln die Regel, dass nicht so sehr die Windstärke als die Windtemperatur hemmend auf ihre Sammeltätigkeit einwirkt. Doch nicht alle Hummeln zeigen in dieser Beziehung das gleiche Verhalten. Die an das Tundrenklima der Arktis und der Alpen angepasste Alpenhummel Bombus alpinus L. fliegt noch in 3500 m Höhe am Rande der Gletscher im eisigen Sturm, der fast das Fliegen zur Unmöglichkeit macht, von einem Blütenpolster zum anderen, um aus den winzigen Kelchen etwas der Alpenazalee den Nektar zu holen. Eng an den Boden geschmiegt kriecht sie von einer Blüte zur anderen, während der pfeifende Gipfelsturm an ihrem zottig behaarten Körper zerrt und sie mit sich zu reißen droht.» Hummeln sollen sogar auf dem Everest auf 5000 m Höhe gesichtet worden sein.
Bis um drei oder vier Uhr nachmittags sammeln die Alpenhummeln Nektar: «Zu späteren Tageszeiten findet man höchst selten noch Hummeln bei der Arbeit; höchstens Männchen können da noch auf den Blüten angetroffen werden, die von dem anstrengenden Suchen nach jungen Weibchen nunmehr in süßem Nichtstun ausruhen.» Bruno Pittionis Beobachtungen könnten den Naturfreunden hilfreich gewesen sein, die dem Aufruf von Pro Natura Graubünden folgten und das grauschwarz und orange gefärbte Insekt in den westlichen und östlichen Zentralalpen sowie an der Alpensüdflanke aufgespürt und im Idealfall sogar fotografiert haben. Wie viele andere Hummeln steht auch die Alpenhummel auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.
Doch warum eigentlich? Pestizide kommen im Gebirge sozusagen nie zum Einsatz, und Monokulturen wie im Flachland gibt es hier ebenfalls nicht. Als Grund für den Rückgang wird die Klimaerwärmung vermutet, die ihren Lebensraum vor allem in den Südalpen einschränkt. Sämtliche Hummelarten meiden nämlich prinzipiell die Hitze, wobei ihre Toleranz unterschiedlich ist. Ein internationales Forscherteam hat nun festgestellt, dass sich die Hummeln nicht an die steigenden Temperaturen anpassen, indem sie nordwärts in kühlere Gegenden ziehen und dadurch den Territoriumsverlust ausgleichen. Verhalten sich die Alpenhummeln ebenso unflexibel oder werden sie die durch die Schnee- und Gletscherschmelze gewonnenen Weiden besiedeln? – In den Bergen hat es über Nacht geschneit. Nur die Alpenhummel-Königinnen überleben den Winter, um im nächsten Frühling einen neuen Staat zu gründen. Sie werden auf jeden Fall noch eine Weile unter Beobachtung bleiben.