PFLANZEN MIT SCHLECHTEM RUF

Sie steht direkt vor dem Büro, kräftig, von blühender Gesundheit und zeitweise heftig umschwärmt. Die Buddleja, auch Schmetterlingsstrauch oder Sommerflieder genannt, ist mit ihren violetten, dicht stehenden Blütenrispen eine Augenweide. buddleya_davidii_sommerfliederWikipedia schreibt: «Bienen, Schmetterlingen, Taubenschwänzchen und Hummeln bietet der Schmetterlingsstrauch eine reichhaltige Nektarquelle besonders in der blütenarmen Zeit in Juli und August.» Das hört sich eigentlich gut an. Doch die Buddleja (im Bild mit einem Admiralfalter) hat ungeachtet dieser positiven Qualitäten einen grottenschlechten Ruf.

Politisch korrekt?
Der in zahlreichen Gartenzentren legal verkaufte Sommerflieder hat nämlich das Pech, auf der Liste der Invasoren zu stehen. Er wurde als Zierpflanze aus China importiert und hat sich in Mitteleuropa seit den 1930er Jahren auch außerhalb der Gärten ausgebreitet. Wegen seiner Vorliebe für trockene, steinige Böden und besonnte Standorte besiedelt er mitunter Eisenbahnböschungen, jedoch vor allem Flussufer und Industriebrachen. Am unteren Rhonelauf im Wallis zum Beispiel kenne ich einige Stellen, wo die Buddleja Fuß gefasst hat, was meiner Meinung nach keinen Schaden anrichtet. Genauso wenig ist gegen den Sommerflieder auf der Industriebrache einzuwenden.  Und was die Bahnböschungen betrifft: Werden die nicht regelmäßig gemäht?

Was kennzeichnet  eigentlich diese sogenannten Invasiven oder Neophyten, die mitunter in einem Ton verteufelt werden, die dem ultrarechten Sprachduktus in Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingskrise frappant ähnelt? Waldwissen.net, eine Informations-Site für die Forstpraxis, definiert sie folgendermaßen: «…Lebewesen mit aktuellem Migrationshintergrund. (…) Das ‚Neu‘ bezieht sich etwas willkürlich auf die Zeit seit 1492, weil die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus als Beginn einer bisher unbekannten, weltweiten Mobilität der Menschheit gesehen werden kann, durch die auch sehr viele Organismen in neue Gebiete gelangten.» Auf der Schwarzen Liste der Schweiz stehen gegenwärtig 41 und auf der Watch-List (Beobachtungsliste) 16 Pflanzenarten. Darunter gibt es etliche, die einem als Garten- und Parkgewächse vertraut und harmlos erscheinen wie Kirschlorbeer, Kartoffelrose, Lupine, Topinambur, Essigbaum, Jungfernrebe, Feigenkaktus, Paulownie, Silberakazie (Mimose), Robinie oder Besen-Radmelde.

Wird da nicht aus einer Mücke ein Elefant gemacht, zumindest in einigen Fällen? Bildet der bei Biobauern so beliebte Topinambur in Mitteleuropa wirklich eine Gefahr? Verdrängt er einheimische Pflanzen? Oder um als weiteres Beispiel die Lupinen zu nennen: Sie blühen im Herbst truppweise auf den Wiesen der Mayens de Sion, zur Freude von Wanderern und Chaletbesitzern. Zu dieser Zeit blüht hier sonst nicht mehr viel, so dass sie von Bienen bestimmt ebenso geschätzt werden. Und falls dem Bauern diese «Invasion» nicht passt, hat er das Problem ja mit der Sense rasch behoben…

Ein Anwalt der Invasiven
François Couplan ist ein bei Fribourg wohnender, französisch-schweizerischer Ethnobotaniker, der die Menschen auf den Geschmack wilder, essbarer Pflanzen bringen möchte. Unter anderem mit Kursen in freier Natur im In- und Ausland sowie Büchern zu diesem Thema. Dem gertenschlanken Mittsechziger mit dem federgeschmückten Hut nimmt man seine kulinarische Vorliebe sofort ab. François CouplanIn seinem allerneusten Werk mit dem aufmüpfigen Titel «Aimez vos plantes invasives. Mangez-les!» (Ed. Quae) verteidigt er die verpönten Fremdlinge, die sich bei uns integriert haben, und gibt Tipps zum Zubereiten und Genießen. Ein heißes Eisen, wie er selber in einem Interview mit der Westschweizer Coop-Zeitung sagt. Doch es sei eine Angelegenheit, die ihn schon lange ärgere. Er finde es schade, dass Hass geschürt werde gegen Pflanzen, die auf irgendeine Weise in unsere Gefilde gelangt seien und sich in unserem Lebensraum durchgesetzt haben. Schließlich seien diese Arten nicht selten durch den Menschen eingeführt worden. Er verstehe nicht, wieso darüber entschieden werde, dass die eine Pflanze hier wachsen dürfe und die andere nicht…

PS: Unser Sommerflieder wird im Herbst zurückgestutzt und die verblühten Dolden vorschriftsmäßig entsorgt! Außerdem habe ich fast vergessen zu erwähnen, dass unser Essigbaum momentan ein wunderschönes, leuchtendrotes Blattwerk präsentiert.

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