AUGENWEIDEN UND BIENENFREUNDLICHE BAUERN

Das Schweizer Stimmvolk hat das Energiegesetz angenommen, und es bleibt nur noch die Hoffnung, dass trotzdem Wege und Mittel gefunden werden, um in Sachen Windturbinen das Schlimmste zu verhüten. Elias Meier vom Verband Freie Landschaft Schweiz verspricht, am Ball zu bleiben (elias.meier@freie-landschaft.ch).

Pfingsten ist wie üblich launisch, was Gelegenheit zum Schmökern in Zeitungen, Magazinen und alten Büchern bietet. Es muss ja nicht immer nur Trump, Putin und Macron sein.

Hohe Zeit der Blumenwiesen
Die unter Naturschutz stehende Klappertopfwiese vor der Haustür blüht dank Einsprengseln von Klatschmohn, Wiesensalbei, Esparsetten und Margeriten farbenfroh. Auch in der Höhe geht es auf den Weiden momentan bunt zu und her. Besonders eindrucksvoll war der gestrige Kurzausflug zwischen zwei Regengüssen zum Tzeusier-Stausee über Ayent VS, wo die Alpen- und Schwefelanemonen mit dem kleinen Frühlingsenzian und dem kräftigeren Stengellosen Enzian dichte Bestände bilden. Eine echte Augenweide!

Stefan Eggenberger, Leiter des nationalen Daten- und Informationszentrums für Wildpflanzen Info Flora, bedauert, dass solche Wiesen in der Schweiz immer seltener und sogar in den Alpen schleichend durch sattgelbe, jedoch eintönige Löwenzahnflächen ersetzt werden. Biodiversität sieht anders aus! «Erst so realisiert man, dass etwas nicht in Ordnung ist mit unserem Naturkapital. Oder denken Sie an die 1960er Jahre zurück: Nach einer Autofahrt klebten überall Insekten an der Windschutzscheibe. Heute sind wir schneller und mehr unterwegs, aber die Autos sind fast sauber. Wo sind nur all die Insekten geblieben?»

Und was ist seiner Ansicht nach die Ursache für den erschreckenden Rückgang der Artenvielfalt ? «Eines der größten Probleme ist unsachgemäßer Stickstoffeinsatz in der Landwirtschaft. Das Ammoniak, das aus der Gülle in die Luft entweicht, gelangt flächendeckend auch in sensible Lebensräume. Diese Düngung führt dazu, dass die natürlichen Standortunterschiede verschwimmen.» Die Folge sei die Banalisierung der Landschaft durch die Ausbreitung nährstoffliebender Pflanzen wie Löwenzahn.

Insekten gibt es auch dieses Jahr auf unserer Bilderbuch-Magerwiese am Montorge-See oberhalb von Sion wiederum sehr wenige. Jede Hummel, jeder Schmetterling, ja sogar jede Biene oder Fliege ist ein Ereignis. Es ist zudem das erste Mal, dass auf der Terrasse keine Mauereidechsen zu sehen sind. Wovon sollten diese Insektenjäger denn auch leben? (Quelle: «NZZ» vom 2.6.2017; www.infoflora.ch).

Dass neben dem Dünger auch die Pestizide reduziert werden müssen, wissen auch unsere Landwirte und Winzer. In den letzten zwei, drei Wochen sind die Helikopter bereits morgens um sechs Uhr losgedonnert, um die Reben zu spritzen. In einem «Blick»-Video kommentiert ein Weinbauer aus Fully das Prozedere und meint, man gebe sich im allgemeinen Mühe, weniger und umweltfreundlichere Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Störend finde er hingegen, dass nicht die Winzer die Spritzpläne erstellen, sondern die Produzenten bzw. Händler der Pestizide. Das ist allerdings erstaunlich…

Bienenfreundlicher Aargau
Im Kanton Aargau will man das alarmierende Bienensterben mit einem sogenannten Ressourcenprojekt in Zusammenarbeit mit den Landwirten und Winzern gezielt bekämpfen. Durch zahlreiche Maßnahmen, die den Bauern einiges abfordern, wofür sie jedoch durch finanzielle Beiträge relativ großzügig entschädigt werden, sollen Honig- und Wildbienen geschützt und gefördert werden.

Laut «NZZ» haben sich in den ersten fünf Monaten 250 im Kanton Aargau ansässige Bauern zum Mitmachen entschlossen. Sie verpflichten sich, die strikten Mäh- und Spritzvorschriften einzuhalten, legen Kleinstrukturen an (Holz-, Sand-, Erd- und Steinhaufen), lassen Brachen mit Wildblütenpflanzen stehen, schaffen Tümpel, besuchen Weiterbildungskurse usw. Die ausführliche Beschreibung des ehrgeizigen Projekts «Bienenfreundliche Landwirtschaft im Kanton Aargau» findet man unter www.agrofutura.ch.

Meiner treuen «Followerin», Imkerin und Kommunikationsfachfrau in Österreich geht es übrigens nicht besser als unseren Schweizer Bienenhaltern. In ihrem neusten Blog klagt sie: «Meine traurige Bilanz: 75% Verlust im Winter 2016/17. Die Hälfte meiner Völker war bereits im Herbst sehr schwach, und die zusätzliche Varroa-Behandlung hat ihnen leider den Rest gegeben. Hinzu kommt, dass sie auf Grund der Rückkehr des Winters im Februar viel Hunger leiden mussten.» Beides habe dazu geführt, dass sie Anfang März drei tote Völker vorgefunden habe. Mehr dazu gibt’s unter www.honigsuess.com zu erfahren.

DROHNEN STATT BIENEN?

drohne-und-blumeWährend in St. Moritz die Ski-WM die Gemüter erhitzt, wird es bei uns im Rhonetal frühlingshaft warm. Ungeachtet der verschneiten Berge wehen hier laue Lüfte, die in Erinnerung rufen, dass es bald wieder blühen wird im Tal der Aprikosenbäume. Für die Bienen geht die Winterpause dem Ende entgegen, die ersten dieser für den Obstbau so wichtigen Bestäuber wagen sich bereits jetzt ins Freie, um die Gegend zu erkunden. Ginge es nach dem japanischen Forscherteam von Eijiro Miyako, würden sie allerdings in ein paar Jahren nicht mehr gebraucht, da er sie durch Drohnen ersetzen will, allerdings nicht durch ihre männlichen Artgenossen, sondern durch diese lästigen mechanischen Brummer.

beeBrutaler Blümchensex
Bereits 2013 präsentierten Forscher aus Harvard eine Mini-Drohne namens «Mobee», die das Geschäft der konventionellen Bestäuberbienen übernehmen sollte. Die Harvard Monolithic Bee wurde äußerlich einem Insekt nachempfunden und hat den Vorteil, gegen Pestizide unempfindlich zu sein. Und nicht nur das. Laut den Deutschen Wirtschafts-Nachrichten würden die Roboter-Bees die umweltgestressten Bienen entlasten: «Ein Ökosystem besteht aus einem natürlichen Kreislauf. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die künstlichen Insekten durch ihre Arbeit die Population ihrer natürlichen ‹Artgenossen› sogar fördern.» Je mehr Arbeit die motorisierten Drohnenbienen übernehmen, desto stärker würden sich wieder Blütenpflanzen vermehren. Und um so leichter hätten es die heute häufig geschwächten Bienenschwärme, sich dank diesem ergiebigeren Angebot zu erholen. «Denn durch die künstliche Helferbiene (Mobee) werden die Wege für die echten Bienen kürzer, und ihre Nahrung wird reichhaltiger. Dadurch können sie Energie sparen, die sie in den Bau des Bienenstocks und in die Bildung von Nachwuchsgenerationen stecken können.»

Das Blatt beurteilt die Entwicklung solcher Helferlein positiv, falls nicht noch mehr Lebensraum der Bienen durch Pestizide vernichtet wird. Und meint augenzwinkernd, dass die beste Lösung der Drohnen-Mensch wäre, da er weniger unberechenbar als die Wesen aus Fleisch und Blut sei. Was ist aus der Mobee geworden?

drohneInzwischen hat ihr eine japanische Konkurrentin die Show gestohlen. Diese etwa vier Zentimeter große Drohne imitiert kein Insekt, sondern sieht wie ein buntes, mit Propellern ausgestattetes Kinderspielzeug aus. Das Revolutionäre ist die aus einem besonderen Gel und Pferdehaaren bestehende Vorrichtung, an der die Pollen haften. Ein Kurzfilm zeigt sie beim Bestäuben einer Lilie, und es ist kein erfreulicher Anblick. Geräuschvoll stürzt sich die Maschine auf die Blüte und scheint ihr einen Kinnhaken zu versetzen. Ein brutales Schauspiel, und ob die Bestäubung gelungen ist, scheint mir fraglich. Der Besuch einer echten Imme ist im Vergleich dazu ein zärtliches Liebesspiel.

Flügellahme Wildbienen
deform1Für die Landwirtschaft ist der Rückgang der Bienen nach wie vor ein Problem, daran haben diese technischen Kuriositäten bislang nichts geändert. Dass dabei auch die Wildbienen eine wichtige Rolle spielen, kommt im «Schweizerbauer» vom 2. Februar 2017 zum Ausdruck. Weltweit würden «1,4 Milliarden Arbeitsplätze sowie drei Viertel des landwirtschaftlichen Anbaus» von Bienen abhängen. Doch da ist Gefahr im Verzug: Ein neuentdecktes Virus, das durch winzige Milben übertragen wird, deformiert die Flügel von Wildbienen. Dadurch werde nicht nur das Sammeln von Blütennektar erschwert, es verkürze auch die Lebenserwartung der befallenen Individuen. Die Untersuchung der Flugrouten von mit Sendern ausgestatteten infizierten und gesunden Bienen soll genauere Informationen über den neuen Feind und dessen Auswirkungen bringen.

groozigdoseZum Schluss noch dies
Junge französisch- sprachige Walliser haben 2014 ein Startup zur Kommerzialisierung essbarer Insekten gegründet (www.groozig.com). Seither betreiben sie eine gut gemachte Internetseite, knüpfen Kontakte zu Züchtern, Köchen und der Presse. Nun planen sie, einen Concept Store unter ihrem Namen «Groozig» zu eröffnen. Vermutlich soll der witzig sein, aber ist er auch verkaufsfördernd? Für Deutschschweizer bedeutet gruusig nämlich nichts anderes als widerlich, ekelerregend und grausig…

 

EIN BAUM FÜR GÖTTER UND BIENEN

650x365_sion_hiverEs hat geschneit. Endlich. Das fahle Braungrün wird von einer weißen, wenn auch dünnen Decke kaschiert. Immerhin. Das Wallis zeigt einmal mehr, dass es ein ausgesprochenes Trockental ist − die Stimmung in den Skistationen war auch schon besser. Dafür versinkt Griechenland im Schnee, und Jeffrey S. Kingston (Uhren-, Wein- und Gastrokenner) schwärmt in seinem Neujahrs-Mail von spektakulären 160 cm Tiefschnee und einer Menge Sonnenschein in seinem geliebten Sun Valley in Idaho, wo die Berge und die Chalets nicht viel anders aussehen als in den Schweizer Alpen. Müssen wir uns darauf einstellen, zum Skifahren künftig in die USA zu jetten?

goetterbaum-ganzDer schöne Exot muss verschwinden!
Hierzulande hat man dem Götter- oder Himmelsbaum (Ailanthus altissima) den Kampf angesagt. In Sion und Sierre ist seit diesem Dezember eine gnadenlose Ausrottungsaktion in Gange. Der Invasor wachse zu schnell in die Höhe, produziere zu viele Samen, breite sich unaufhaltsam aus und erobere die umliegenden Wälder, wo er die einheimischen Bäume verdränge. Außerdem koste der Krieg gegen den lästigen Fremdling eine Stange Geld.

k_1476356812Ja, es gibt in unserer Gegend Götterbäume. Und es wäre jammerschade, würden sie alle verschwinden. Ich habe ein wenig in den Büchern gestöbert und bin auf erstaunliche Informationen gestoßen, die das neuerdings verfemte Bittereschengewächs rehabilitieren. Demnach wurde der aus Südostasien stammende Götterbaum um 1730 erstmals in England in Parks und an Straßenrändern angepflanzt und verbreitete sich nach und nach in Süd- und Mitteleuropa. Dank seinen gelb-roten Früchten ist er höchst  dekorativ, und seine übrigen Eigenschaften machen ihn eigentlich ausgesprochen sympathisch.

Ailanthus altissima var. altissima / Chinesischer Götterbaum / Tree of Heaven / Ailanthe glanduleuxAus dem Harz seiner rissigen Rinde gewinnt man Räucherwerk sowie Heilmittel gegen Durchfall, Würmer und andere Beschwerden. Aus dem Holz wurden früher Fischerboote gezimmert und Holzschuhe geschnitzt. Außerdem übersteht der Götterbaum lange Dürreperioden und Temperaturen bis minus 30 °C problemlos, stellt keine Ansprüche an den Boden und ist gegen urbane Luftverschmutzungen resistent. Die duftenden Blüten sollen zudem viel Nektar produzieren und von Bienen und anderen Insekten intensiv besucht werden. Sein Honig ist laut Wikipedia würzig und wohlschmeckend, mit muskatellerartigem Aroma. Und die Pollen des Götterbaums sollen ein neues potentielles Allergen darstellen. Eine Augen- und Bienenweide also, wirklich ein Götterbaum, für den das Zentral- und Unterwallis grundsätzlich ein idealer Standort wäre! Aber eben doch ein böser Neophyt…

musee-de-la-nature-sionIns Museum statt auf die Piste
Der Schneemangel hat auch Vorteile. Man nimmt sich beispielsweise endlich Zeit, ins Naturmuseum in Sitten zu spazieren, um die Mini-Ausstellung von Wildbienen des Entomologen Maurice Paul (1835−1898) aus dem späten 19. Jahrhundert zu besichtigen. Zugegeben: Sensationell sind die beiden Kästen beim Eingang nicht. Sie führen jedoch auch Laien auf einen Blick vor Augen, welche Vielfalt an Größe und Formen «die sensible Welt der Wildbienen» entwickelte. Die spannend inszenierte Ausstellung zum Thema «Der Mensch und die Natur im Wallis» ist natürlich ebenfalls einen Besuch wert.wildbienen

Und schließlich singt der in Zürich lebende Künstler Heinrich Röllin auf seiner Neujahrskarte ein beeindruckendes Loblied auf die Imme:

«Eine Biene wiegt 80 Milligramm und bringt von einem Flug 50 Milligramm Pollen. Auf Kleeblüten sind 1500 Besuche notwendig, bis ein Bienenmagen gefüllt ist, aber eine Biene muss 60mal ihren Magen leeren, wenn sie nur einen Fingerhut Nektar sammeln will. Man nimmt an, dass 20 000 Bienenflüge notwendig sind, um einen Liter Nektar einzubringen. Aus einem Liter Nektar werden aber nur 150 Gramm Honig gewonnen. 1 Kilogramm Honig ist demnach die Lebensarbeit von 6000 Bienen. Und das alles unentgeltlich!»

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

INSEKTENHOTELS SIND TRENDY

Heute schneit es zum ersten Mal in diesem Jahr bis ins Rhonetal. Vor zwei Tagen herrschten noch T-Shirt-Temperaturen mit reichlich blauem Himmel. Hie und dort flatterte noch ein Schmetterling, und am Wegrand lauerte eine Gottesanbeterin auf Beute, etwa eine der letzten noch aktiven Schnarrheuschrecken.Und nun gibt es endlich Schnee, was die Walliser Tourismusbranche bestimmt freut. Für Insektenfreunde brechen jedoch eher monotone Zeiten an…

IMG_1647 (2)Spektakuläre Brutpflege
Am Lac de Montorge steht ein sogenanntes Insektenhotel mit einer Informationstafel, die Sinn und Zweck des dekorativen Häuschens erklärt. Es ist eine Nisthilfe, die in diesem Fall vor allem den Nachkommen von Wildbienen, aber auch holzfressenden Insekten und verschiedenen Wespenarten Unterschlupf bieten soll. Jean-Henri Fabre war ja von der Brutpflege der Sandwespe fasziniert und hat sie wiederholt ausführlich beschrieben. Wie sie die Raupen aufstöbert und ihnen «einen nach dem andern die zehn Hinterleibsringe auf der Bauchseite mit ihrem Stachel ansticht, bis das Beutetier völlig gelähmt ist. Die Sandwespe verlässt ihr Opfer und kehrt zu ihrem Nest zurück, wo sie, im Hinblick auf die Einlagerung der Beute, noch einige Abänderungen vornimmt, den Eingang, den Endraum erweitert.» Das mit gezielten Stichen gelähmte Opfer wird in die Brutkammer mit den Eiern transportiert und dient später den geschlüpften Larven als Nahrungsvorrat. «Übrigens sollte man hundertmal dem Schauspiel beiwohnen, dessen Augenzeuge ich zu werden wünschte, man würde seiner nicht überdrüssig.»*

Insektenhotels ermöglichen es, diese spektakulären Fortpflanzungsmethoden aus nächster Nähe wenigstens teilweise zu beobachten. Das ist ihre wichtigste Aufgabe. Sie dienen vor allem als Informationsmittel für Spaziergänger und Schüler. Wikipedia ist so ehrlich, ihre Schutzfunktion zu relativieren: «Insektenhotels tragen nicht dazu bei, Rote-Liste-Arten zu schützen, und können daher nicht als direkter Artenschutz verstanden werden. Sie werden überwiegend von häufig vorkommenden Kulturfolgerbienen (zum Beispiel Rote Mauerbiene, Osmia bicornis) besiedelt. Selten vorkommende Bienenarten leben meist in Abhängigkeit von speziellen Pflanzenarten…».

Auf den Standort kommt es anIMG_1657 (2)
In der Umgebung des Montorge ist die Landschaft mit den Elementen bestückt, die es braucht, damit das Insektenhotel seinen Zweck erfüllen kann. In nächster Nähe gibt es eine Menge Totholz, Sträucher, Bäume, Naturwiesen, Wasser, Sand. Etliche der Öffnungen sind denn auch mit Lehm verschlossen.

Eine weitere Funktion der Insektenhotels – auch Insektenasyl oder Nützlingshotel genannt – besteht offenbar darin, uns das «gute Gefühl» zu geben, dass wir «etwas für die Umwelt tun». Anders ist der Boom dieser seit den neunziger Jahren existierenden Nisthilfen nicht zu erklären. Das Angebot ist enorm und reicht vom telefonbuchgroßen Insektenhüttchen bis zum luxuriösen Insektenpalast für gehobene Ansprüche. Sie stehen in Kleingärten, Parks, bei Schulhäusern, Einfamilienhäusern, Villen und nicht selten auf Balkonen sowie Hausdächern mitten in der Großstadt und sind für ihre Hersteller zu einem lukrativen Geschäft geworden.

Der Trend, Honigbienen in der Stadt zu halten, ist ebenfalls im Vormarsch. Dazu passt die Erfindung eines Studenten der Schule für Industriedesign der Kunstschule Lausanne (ECAL). Er hat ein tragbares Bienenhaus entwickelt, das in verschiedenen Grössen und in schicken Farben zum moderaten Preis von 250 Franken in den Handel kommen soll. Damit man jederzeit und überall seinen eigenen Honig imkern kann.

* Aus Kurt Guggenheim, Sandkorn für Sandkorn, Zürich 1959.

HAARIGE BRUMMER IM HOCHGEBIRGE

Der Wiener Entomologe Dr. Bruno Pittioni starb 1952 im besten Mannesalter von 46 Jahren an Lungenkrebs. Der Krieg hatte ihn aus seiner Mittelschullehrer-Laufbahn geworfen, weshalb er nach Sofia auswanderte, wo er am Königlichen Bulgarischen Museum als Assistent tätig war. Später wurde er unter Spionageverdacht eingekerkert und musste sich als Dachdecker und Bauarbeiter durchschlagen. Dr. Bruno Pittioni 2_Seite_1 Dennoch hinterließ er zahlreiche Publikationen und eine umfangreiche Sammlung paläarktischer Hummeln.

Sturmerprobt

Die Feldforschung trieb ihn jeweils frühmorgens aus den Federn: «Schon zeitig des Morgens, wenn Gras und Blüten noch triefend nass sind vom Tau und die Temperatur erst wenige Grade über Null erreicht hat, beginnt der Hummelflug in unseren Hochgebirgen. Schon wiederholt habe ich um 7 Uhr früh in 2000 bis 2500 m Höhe ein reges Hummelleben feststellen können; allerdings nur dann, wenn der in diesen Höhen fast immerdar wehende Wind nicht allzu kalt war. Die Sonne spielt weitaus nicht die Rolle, die man ihr gerne zuzuschreiben gewillt ist. Im Gegenteil, an windstillen Tagen kann auch ein feiner Regen herniederrieseln, und der Flug ist dennoch stärker als an sonnenklaren Tagen, an denen ein eisiger Wind um die Alpengipfel braust. Überhaupt gilt für die Hummeln die Regel, dass nicht so sehr die Windstärke als die Windtemperatur hemmend auf ihre Sammeltätigkeit einwirkt. Doch nicht alle Hummeln zeigen in dieser Beziehung das gleiche Verhalten. Die an das Tundrenklima der Arktis und der Alpen angepasste Alpenhummel Bombus alpinus L. fliegt noch in 3500 m Höhe am Rande der Gletscher im eisigen Sturm, der fast das Fliegen zur Unmöglichkeit macht, von einem Blütenpolster zum anderen, um aus den winzigen Kelchen etwas der Alpenazalee den Nektar zu holen. Eng an den Boden geschmiegt kriecht sie von einer Blüte zur anderen, während der pfeifende Gipfelsturm an ihrem zottig behaarten Körper zerrt und sie mit sich zu reißen droht.» Hummeln sollen sogar auf dem Everest auf 5000 m Höhe gesichtet worden sein.

Auf der Roten ListeAlpenhummel auf Distel

Bis um drei oder vier Uhr nachmittags sammeln die Alpenhummeln Nektar: «Zu späteren Tageszeiten findet man höchst selten noch Hummeln bei der Arbeit; höchstens Männchen können da noch auf den Blüten angetroffen werden, die von dem anstrengenden Suchen nach jungen Weibchen nunmehr in süßem Nichtstun ausruhen.» Bruno Pittionis Beobachtungen könnten den Naturfreunden hilfreich gewesen sein, die dem Aufruf von Pro Natura Graubünden folgten und das grauschwarz und orange gefärbte Insekt in den westlichen und östlichen Zentralalpen sowie an der Alpensüdflanke aufgespürt und im Idealfall sogar fotografiert haben.  Wie viele andere Hummeln steht auch die Alpenhummel auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Doch warum eigentlich? Pestizide kommen im Gebirge sozusagen nie zum Einsatz, und Monokulturen wie im Flachland gibt es hier ebenfalls nicht. Als Grund für den Rückgang wird die Klimaerwärmung vermutet, die ihren Lebensraum vor allem in den Südalpen einschränkt. Sämtliche Hummelarten meiden nämlich prinzipiell die Hitze, wobei ihre Toleranz unterschiedlich ist. Ein internationales Forscherteam hat nun festgestellt, dass sich die Hummeln nicht an die steigenden Temperaturen anpassen, indem sie nordwärts in kühlere Gegenden ziehen und dadurch den Territoriumsverlust ausgleichen. Verhalten sich die Alpenhummeln ebenso unflexibel oder werden sie die durch die Schnee- und Gletscherschmelze gewonnenen Weiden besiedeln? – In den Bergen hat es über Nacht geschneit. Nur die Alpenhummel-Königinnen überleben den Winter, um im nächsten Frühling einen neuen Staat zu gründen. Sie werden auf jeden Fall noch eine Weile unter Beobachtung bleiben.