
Auf den ersten Blick hat der Buchsbaumzünsler in einem Blog mit dem Namen «Insektenschwund» nichts zu suchen, denn der kleine, aus Ostasien eingeschleppte Nachtfalter hat sich in den letzten Jahren in Europa unheimlich schnell vermehrt. In der Schweiz fällt er seit 2007 unliebsam auf, indem er sich im Raupenstadium über die Buchsbäume hermacht. Wie überall begann es auch bei uns in Sion recht harmlos: An den beiden Büschen zeigten sich an einigen Stellen vertrocknete, hellbraune Blätter und kahle Zweige. Man entdeckt die schwarz-gelb-grün gestreiften Raupen und ihre Gespinste meist erst, wenn die Pflanze um ihr Überleben kämpft. Dann gibt es mehrere Möglichkeiten: Man kann sie ausgraben und verbrennen, damit sich der Schädling nicht weiter verbreitet (das haben wir getan); man kann versuchen, den Raupen mit mehr oder weniger umweltfreundlichen Spritzmitteln den Garaus zu machen oder sie von Hand abzulesen, was jedoch ziemlich viel Geduld erfordert und selten hundertprozentig gelingt.
Katastrophenalarm im Rhonetal

Auf dem rechten Rhoneufer gegenüber der Stadt Valence ragen die Ruinen der Burgfeste Crussol in den Himmel. Den Besuch der imposanten Anlage kann man mit einer Wanderung über das aussichtsreiche Kalkmassiv verbinden, ein Naturschutzgebiet, in dem es unter anderem 40 Orchideen- und 70 Schmetterlingsarten geben soll. Neuerdings droht jedoch der Falter seine ausgedehnten Buchswälder vollständig zu zerstören. Dieses Gebiet und sein Klima scheinen ihm so gut zu behagen, dass er nicht nur wie üblich zwei-, sondern dreimal pro Sommer Eier legt. Die Experten sind alarmiert, aber weitgehend ratlos. Selbst biologische Insektizide kommen nicht in Frage, da dies ja auch zahlreiche andere, zum Teil geschützte Schmetterlingsarten gefährden würde. Sämtliche befallenen Bäume ausreißen und verbrennen ist in dem schwer zugänglichen Gelände kaum durchführbar. Oder sind Pheromonfallen die Lösung? In Hausgärten oder städtischen Anlagen hat man damit eine Chance, aber in ausgedehnten Wäldern wie jenem von Crussol?
Östlich von Crussol, am Fuß des Vercors-Massivs, liegt die Gemeinde Hostun mit zwei Dörfern. Auf ihrer Website thront zuoberst, sozusagen als Markenzeichen, eine wunderschöne Buchsbaumzünsler-Raupe. Das noch vor kurzem unbekannte Insekt fühlt sich in diesem Gebiet so wohl, dass die Eiablage sogar bis zu viermal pro Saison stattfindet. Anziehungspunkt ist ein Buchswald in der Nähe der Dörfer. Nächtens spielen sich hier wahre Hitchcock-Szenen ab, wenn Abertausende von Faltern bei den Straßenlampen dicke Wolken bilden. Da man laut Bürgermeister aus Sicherheitsgründen die Lampen nicht abschalten kann, schließen die Einwohner trotz der Hitze nach Einbruch der Dämmerung alle Fenster und verzichten auf den Abendspaziergang.
Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?
Die Gemeinde rät zwar den Gartenbesitzern, ihre Buchsbäume möglichst mit Bio-Produkten zu schützen, und empfiehlt den Wirkstoff Bacillus thuringiensis, obwohl dieses Pflanzenschutzmittel eher teuer ist. Wem das zu aufwendig sei, solle die Büsche mit Netzen einhüllen oder eben ein günstigeres konventionelles Insektizid einsetzen.
Das Naturschutzbewusstsein gewinnt allerdings nur langsam an Boden, zumal Frankreich wirtschaftlich auch schon bessere Zeiten erlebt hat. Einmal abgesehen davon, dass sowieso in keinem anderen europäischen Land mehr Pestizide eingesetzt werden, geben die Leute das Geld nicht mehr so locker aus, und ich kann mir gut vorstellen, dass die Mehrheit der betroffenen Gartenbesitzer zur Giftspritze greift. Zu Deltamethrin zum Beispiel oder Produkten mit dem Wirkstoff Thiacloprid, die in der ganzen EU und in der Schweiz zugelassen sind, obwohl sie erwiesenermaßen für Bienen, aber bestimmt auch für andere Insekten toxisch sind. Den Teufel hat man vielleicht besiegt, die Nebenwirkungen sind jedoch nicht zu unterschätzen…
Unseren Vögeln schmeckt die Raupe des Buchsbaumzünslers, der wohl in Form von Eiern auf Handelspflanzen eingeschleppt wurde, übrigens nicht. Sie ist giftig wie die Wirtspflanze, von der sie nicht genug bekommen kann.