DER WALD: EIN TOXISCHES PARADIES?

 

 

Bärlauch 2.jpg

Nachdem sich der Winter Mitte März nochmals mit Schnee bis in die Niederungen manifestiert hat und der Zürcher Böögg verbrannt ist, wird’s nun wirklich Frühling. Es sprießt und blüht allenthalben, und nichts mehr hält uns in den vier Wänden. Ein Waldspaziergang ist jetzt das höchste der Gefühle, vor allem, wenn sich der Bärlauch und die ersten Morcheln zeigen! Vorher werfen wir noch schnell einen Blick ins Internet – wo uns der «BLICK» verrät, dass es auch mit dem Schweizer Wald nicht mehr zum Besten steht.

Hochgiftige Insektizide gegen Borkenkäfer
Dass auf Landwirtschaftsland Pflanzenschutzmittel versprüht werden, ist nicht neu. Doch nun hat man festgestellt, dass auch biologisch bebaute Gebiete und ökologische Ausgleichsflächen mehrheitlich mehr oder weniger stark mit Neonicotinoiden verseucht sind (Quelle: «NZZ am Sonntag»  vom 7. April 2019). Zur Verbreitung beigetragen haben Wind, Regen und Schnee. Es kommt jedoch noch eine weitere erstaunliche Tatsache hinzu: «Die Neuenburger Forscher haben in 14 von 16 Proben von Bio-Samen Neonicotinoide gefunden. Diese können etwa von Verunreinigungen in den Produktions- und Transportanlagen stammen.» Soweit so schlecht.

Stämme spritzen.jpgNoch verstörender ist jedoch die Nachricht, dass auch in den Wäldern Insektizide versprüht werden. Aufgedeckt wurde dies durch die Schweizer Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU, Fachzeitschrift OEKOSKOP), und der «BLICK» hat das breite Publikum darüber informiert. «Hochrechnungen aufgrund einer Umfrage bei kantonalen Waldbehörden ergaben: 2018 wurden in Schweizer Wäldern rund 700 Kilo hochtoxischer Insektizide auf gefällte Bäume gespritzt, um sie vor einem Befall durch Borkenkäfer zu schützen. Darunter Cypermethrin und Chlorpyrifos, deren Wirkstoffe für Menschen hochgiftig sind. Manche der Insektizide stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen und bei Kleinkindern Entwicklungsstörungen bis hin zu Hirnschäden auszulösen.» Und da Kinder gerne auf den gefällten Stämmen herumklettern und mit den Eltern darauf picknicken, sorgen sich die engagierten Mediziner zu Recht um deren Gesundheit. Abgesehen davon sind die beiden Insektizide starke Bienen- und Fischgifte und toxisch für Vögel.

Grundsätzlich ist es in der Schweiz verboten, im Wald mit Giften zu arbeiten. «Dennoch bewilligten 22 der 25 Forstämter teilweise sogar den Einsatz von explizit verbotenen Mitteln. Für Insektengifte gebe es eine Ausnahmebewilligung.» … Stoßend: Auch das Label des Forest Stewardship Council (FSC), das für nachhaltig erwirtschaftetes Holz vergeben wird, toleriert bisher den Einsatz von Cypermethrin. In der Schweiz gebe es eine Ausnahmebewilligung, weil sonst ein Ausstieg der Waldbesitzer aus dem FSC zu befürchten sei.» Diese Bewilligung soll im Sommer dieses Jahres auslaufen… Die Kantone Glarus, Wallis und Tessin haben nach eigenen Angaben auf die Giftkeule verzichtet. Denn es gibt auch andere Methoden, um das gefällte Rundholz vor dem in heißen Sommern besonders aktiven Borkenkäfer zu schützen. Zum Beispiel, indem es möglichst schnell aus dem Wald transportiert wird. Im Kanton Glarus wurden auf diese Weise gute Resultate erzielt und sogar noch Geld gespart (mehr unter www.aefu.ch). Und für mich Wahl-Walliserin ist es natürlich eine gute Nachricht, dass man in den Wäldern dieses Bergkantons noch gefahrlos durchatmen kann.

Publik gemacht wurde die Sache übrigens von Martin Forter, dem Autor des Artikels und AefU-Geschäftsführer, der auf seinem Waldspaziergang einen Forstarbeiter beim Giftspritzen überraschte und den Skandal im wahrsten Sinne des Wortes witterte.

Hunde 1.jpgMönche als Meteorologen
Für die Bergler spielte das Wetter schon immer besonders wichtige Rolle. Aus diesem Grund haben die Augustinermönche im Hospiz auf dem Großen Sankt Bernhard auf 2473 Metern Höhe nicht nur die berühmten Lawinenhunde gezüchtet, sie betreiben auch seit 1817 die älteste meteorologische Station im Alpenraum. Seit zwanzig Jahren wird sie in Zusammenarbeit mit MeteoSchweiz von Diakon Frédéric Gaillard betreut.hospice-gaillard-2

Die Aufzeichnungen zeigen, dass die Temperatur in den vergangenen 150 Jahren rund 2,5 Grad gestiegen ist. Wobei der Prozess nicht kontinuierlich stattfand: 1869 war mit einer Durchschnittstemperatur von –3,3° das kälteste und 2007 mit +0,3° das wärmste Jahr. Es gab Jahre, in denen von September bis Juli bis zu 26 Meter Schnee fielen, und andere, in denen es weniger als 5 Meter waren. Am wenigsten Schnee gab’s übrigens in der Zeit von 1862 bis 1874 (Quelle: Le Nouvelliste vom 20.3.2019).

kleine EiszeitLaut dem Geologen Walter Wildi gibt es zahlreiche Hinweise, dass das Mittelalter vor 1250 für die Bergbevölkerung eine blühende Zeit gewesen war. Als Folge der warmen Temperaturen hatten sich die Gletscher zurückgezogen, so dass mehr Land zur  Beweidung zur Verfügung stand. Im Wallis lag die Waldgrenze damals 200 Meter höher als heute. Dann begannen die Gletscherzungen wieder zu wachsen und bedeckten im 17. Jahrhundert einen Großteil der einst blühenden Alpweiden, und die Bevölkerungszahl ging zurück. Die Periode der Kleinen Eiszeit endete um 1850. Und Honorarprofessor Wildi meint, man dürfe sich durchaus die Frage stellen, wie das «normale» Klima heute wäre, ohne menschlichen Einfluss.

 

 

INSEKTEN ERHALTEN EINE LOBBY

PetitionAllmählich wird man sich auch in der Schweiz bewusst, dass gegen den Insektenschwund etwas unternommen werden muss. Die Petition «Insektensterben aufklären» der Naturfreunde und ihrer Partner dark-sky, apisuisse und Schweizer Bauernverband hat seit dem vergangenen September bis heute (22.11.) rund 120’000 Unterschriften gesammelt. Sie verlangt, dass «Ursachen und Tragweite des Insektensterbens» in der Schweiz aufgeklärt und in der Folge Maßnahmen umgesetzt werden, die dieses Massensterben stoppen. Dass ihr Anliegen vielleicht ein wenig zu ambitiös ist, scheint auch ihnen klargeworden zu sein. Immerhin: «Ein erster, kleiner Teilerfolg darf bereits vermerkt werden: Wer sich umschaut, wer sich umhört, stellt fest, dass das Thema nun auch in den Medien und sozialen Netzwerken vermehrt auftaucht. Das Insektensterben ist damit allerdings noch nicht gestoppt. Aber zumindest scheint eine Sensibilisierung in Gang zu kommen. Und damit die Erkenntnis, dass mit dem Verschwinden der Insekten auch unsere eigene Lebensgrundlage auf dem Spiel steht.» Besser das als nichts! Siehe www.insektensterben.ch

RappazHanfpionier, Biobauer und Hobbyangler
Der Walliser Bürgerschreck Bernard Rappaz ist schweizweit bekannt. Vor allem als illegaler Hanfbauer, der insgesamt acht Jahre im Gefängnis saß und mit seinen spektakulären Hungerstreiks für Schlagzeilen sorgte. Er sei ruhiger geworden, das Alter eben, gesteht der 65-Jährige, der heute legal mit Hanfprodukten handelt und als Biobauer Gemüse und Obst zieht. Letzteres betreibt er seit 1975, wie er in einem am 19. November 2018 im «Nouvelliste» erschienenen Leserbrief betont. Auch damals sei er ein misstrauisch beäugter Pionier gewesen, während heute 380 Walliser Landwirte auf chemische Produkte verzichten und die Nachfrage nach Bio-Produkten ständig steige.

Hufeisen_AzurjungferDoch die Natur sterbe dennoch, bedauert Rappaz: «Die Biodiversität schrumpft, die Insektenpopulationen verschwinden und mit ihnen alle Insektenfresser, darunter auch die Vögel. Ist dieser Genozid der Auftakt zum Weltuntergang? Wollen wir wirklich, dass unsere Kinder den Vogelgesang draußen, in der Natur, nicht mehr hören können? Als Angler erinnere ich mich noch an die unglaubliche Menge an Forellen in den Kanälen und Flüssen der Walliser Rhoneebene. Heute gibt es in den Fließgewässern, die Landwirtschaftszonen durchqueren, keine Fische mehr, während jene in intakteren Naturgebieten gut bestückt sind. Schuld ist die Agrochemie.» Und er beklagt unsere Behörden, die sich eher halbherzig für eine Lösung ohne Pestizide einsetzen. «Welch verhängnisvolle Heuchelei! Um die multinationale Agrochemie zu schützen?»

csm_1801_Hans-Dietrich-ReckhausVom Saulus zum Paulus
Unter dem Titel «Eine Lobby für Mücken, Motten und Fliegen» berichtete die NZZ am 16. November über den Sinneswandel von Hans-Dietrich Reckhaus, der bereits in meinem Blog «Erika von Deppendorf» am 9. Februar 2016 vorgestellt wurde. Dem Hersteller von Insektiziden für den Haushalt (Standorte Gais in Appenzell-Außerrhoden und Bielefeld) sei bewusst geworden, «dass er mit seiner Firma ein schlimmerer Schädling ist als all die Sechsbeiner, gegen die ihre Produkte eingesetzt werden. Heute ist er ein Kämpfer für die Insekten. (…) Der 52-jährige Deutsche will Mittel auf den Markt bringen, welche die Tierchen abschrecken, aber nicht töten.» Und er organisierte mit BirdLife Schweiz den ersten Schweizer Tag der Insekten. «Die Welternährung ist das zentrale Thema der Aarauer Tagung, die der Schaffung einer Schweizer Insekten-Lobby dient. Denn der Bestand der Insekten geht wegen Monokulturen und des Einsatzes von Pestiziden und chemischen Düngern weltweit dramatisch zurück. Auch hierzulande hat das Insektensterben erschreckende Ausmaße erreicht; rund 45 Prozent der Arten sind bedroht. Dies wiederum gefährdet die Pflanzenbestäubung und damit die Ernährungsgrundlage von Mensch und Tier.» Illustriert ist der Artikel mit getrockneten Mehlwürmern auf einer Brotscheibe. Soll die Zukunft des Essens wirklich so aussehen?Insekt an GAbel

Dieser Meinung sind offenbar Adreas Knecht und Edit Horvath, die Autoren des neuen Kochbuchs «Köstliche Insekten», das die Migros herausgibt. Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken seien seit kurzem auch bei diesem Schweizer Großverteiler erhältlich. Daraus könne man alles auf den Teller zaubern, von Snacks über Vor- und Hauptspeisen bis zu Desserts. Eine Biologin und Tierschützerin stellte zu diesem Trend die Frage, ob es ethisch verantwortbar sei, Insekten mit ihrem hochdifferenzierten Verhaltensspektrum wie eine Ware zu züchten und zu verarbeiten. Schließlich seien sie auch Tiere, die ein Anrecht auf artgerechte Haltung haben sollten.

 

KALTE OSTERN, RADIKALE INITIATIVE

Der Osterhase ist dieses Jahr nicht zu beneiden, er hoppelt mit seinen Eiern unter Regen- und Schneeschauern durch die Lande. Zwar blühen in den Rebbergen die ersten Mandelbäume, doch die wenigen Erdkröten, die den Weg in den Montorge-See und die umliegenden Tümpel gefunden haben, lassen nur selten und höchst zaghaft von sich hören. Sie sind noch nicht so richtig in Fahrt gekommen, und Insekten sind ebenfalls kaum vorhanden. Trost bietet gegenwärtig der Wetterfrosch, der für die nächste Woche frühlingshafte Temperaturen verspricht. Möglicherweise beginnen dann auch die übrigen Kröten und Frösche zu den Laichplätzen zu wandern.

Baysanto: eine verhängnisvolle Ehe
Abgesehen von der ungewohnten Kälte Anfang April fröstelt es einen auch beim Lesen des Artikels im neusten «Spiegel» (Nr. 13) über die geplante Monsterhochzeit von Monsanto und Bayer. Ganz unschuldig, wie manche glauben, scheint laut dem deutschen Nachrichtenmagazin der amerikanische Pestizid- und Saatgutproduzent offensichtlich doch nicht zu sein. «In den letzten Monaten gab es eigentlich nur Schreckensnachrichten von Monsanto. Es wurden E-Mails öffentlich, die nahelegen, dass die Firma von den Gesundheitsgefahren ihres Verkaufsschlagers, des Totalherbizids Glyphosat, gewusst und sie wissentlich vertuscht habe. Dass das Unternehmen heimlich an Studien mitgearbeitet habe, die später als Arbeiten unabhängiger Wissenschaftler präsentiert und den US- und europäischen Aufsichtsbehörden untergejubelt worden seien. Beide Vorwürfe bestreitet Monsanto vehement.» Wie soll der Gigant auch sonst reagieren…

Es geht jedoch nicht mehr bloß ums Glyphosat, das sich als nicht absolut zuverlässig erwies, da gewisse Unkräuter dagegen resistent wurden und sich explosionsartig ausbreiteten. «Mittlerweile sind in den USA 34 Millionen Hektar Ackerland von Superunkräutern befallen. Eine neue, praktische Mixtur musste her – und damit nahm das Unglück seinen Lauf. Um weiter mit Saatgut und Unkrautvernichtern ein Milliardengeschäft machen zu können, griff Monsanto auf eine alte, aber hochumstrittene Chemikalie zurück.» Dicamba heißt dieses Spritzmittel, das den Nachteil hat, bei großer Hitze gasförmig aufzusteigen und mit dem Wind meilenweit transportiert zu werden. Landet es dann auf Feldern mit Pflanzen, die nicht gentechnisch gegen Dicamba resistent gemacht wurden (selbstverständlich von Monsanto), hat der Bauer eben Pech gehabt. Etliche Farmer wurden dadurch in den Ruin getrieben.
Die Macht von Agrochemiekonzernen trifft nicht nur US-Farmer mit Riesenflächen, auch die Kleinbauern in der übrigen Welt bekommen diese verhängnisvolle Abhängigkeit mehr und mehr zu spüren. Mit der Überbevölkerung haben die Giganten wie Monsanto, Bayer, Syngenta und Co. einen guten Trumpf in der Hand. Ob die Argumente der Naturschützer – Artenschwund, Monokulturen, Gesundheitsprobleme, Klima usw. – dagegen eine Chance haben, ist fraglich.

Die Königin des Schweizer Weins ist ebenfalls dafür
Auch in der Schweiz wird momentan viel über das Für und Wider von Chemie in der Landwirtschaft geschrieben und diskutiert. Grund dafür ist vor allem die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide». Wahrscheinlich wird es zur Abstimmung kommen: Von mindestens 100 000 gültigen Unterschriften, die bis Ende Mai benötigt werden, sind heute bereits 80 000 beieinander. Wird die Initiative angenommen, müssen Bauern und Winzer radikal auf jegliche chemisch-synthetischen Pestizide verzichten. Für die Umstellung erhalten sie eine Frist von zehn Jahren. Der Initiativtext geht jedoch noch viel weiter. Er fordert zudem: «Auch die Einfuhr zu gewerblichen Zwecken von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mit Hilfe solcher hergestellt worden sind, ist verboten.»
Die Walliser Star-Winzerin Marie-Thérèse Chappaz, die diesen Februar von Parker für zwei ihrer Süßweine mit 99 Punkten gekrönt wurde, steht voll und ganz hinter dieser Forderung. Ihre 11 Hektar Rebland werden seit 1997 biodynamisch bewirtschaftet. Das habe sie nicht getan, um die Qualität des Weins zu verbessern, sondern der Natur zuliebe, um einen lebendigen Boden zu erhalten. Persönlich glaube sie allerdings, dass die Frist zur Umstellung 15 Jahre betragen sollte.

Weniger begeistert vom Verbot synthetischer Pflanzenschutzmittel ist der Schweizer Bauernverband. Die Produktion werde um 30 Prozent zurückgehen, und die Preise würden um 20 bis 30 Prozent steigen. 2200 Tonnen Pestizide werden laut Verbandspräsident Markus Ritter derzeit auf Schweizer Böden versprüht. Für die Naturschützer sind das 2200 Tonnen zuviel. Sie finden, die Landwirte sollten sich mehr mit der Förderung von Nützlingen beschäftigen, in erster Linie Insekten. Die Konsumenten ihrerseits müssten ebenfalls ihren Beitrag leisten, indem sie bewusster einkaufen und konsumieren. Und bereit sind, mehr für Lebensmittel zu bezahlen. In dieser Hinsicht muss vermutlich noch ziemlich viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.

 

NACHTFALTER, GLYPHOSAT UND WIRBELSCHLEPPEN

Das neue Jahr beginnt stürmisch. Burglind beziehungsweise Eleanor, je nachdem, fegt übers Land und macht allen, die von Schneewanderungen, Skitouren und Waldspaziergängen träumen, einen dicken Strich durch die Rechnung.

Nachtfalter im Rampenlicht
Dafür bleibt genügend Zeit, um ins Museum zu gehen. Zum Beispiel in den ehemaligen Pénitencier in Sion/Sitten, wo in der kleinen, aber feinen Ausstellung «Noctuelles en lumière» die Nachtfalter im Mittelpunkt stehen. In der Schweiz sind rund 600 Arten bekannt, 500 davon sind im Wallis heimisch. Dank Hans-Peter Wymann, dem wissenschaftlichen Illustrator und Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums Bern, können sie nun auch tagsüber anhand von 1800 Darstellungen besichtigt werden, und zwar direkt neben dem historischen Gefängnis in der früheren Kanzlei. Sie sind auch in einem voluminösen, vom hiesigen Naturmuseum gesponserten Buch veröffentlicht worden.
50 echte, aufgespießte Exemplare ergänzen die minutiös gemalten Schmetterlinge. Hat man Glück, führt einen die perfekt zweisprachige Biologin und Kuratorin Sonja Gerber durch die Ausstellung und macht die Besucher unter anderem auf Kuriositäten aufmerksam wie die Raupe, die sich täuschend ähnlich als Vogelkot tarnt… Bleibt nur zu hoffen, dass es sich nicht bloß um ein Memorial handelt, sondern die schönen Nachtschwärmer dereinst auch vermehrt wieder draußen, in der Natur, zu bewundern sein werden.
Geöffnet Dienstag bis Sonntag, 11–17 Uhr, bis zum 15. April 2018. http://www.musees-valais.ch

Mehr Glyphosat will der Bund!
Man hört und liest es fast täglich: Unsere Bauern sollen ökologischer handeln, weniger Pestizide spritzen und weniger Subventionen kassieren. Den Gewässern, den Konsumenten, den Insekten und der ganzen Umwelt zuliebe. Der Bundesrat hat zu diesem Zweck einen Aktionsplan mit 50 Maßnahmen erarbeitet, den der Schweizer Bauernverband unterstützt. Daraufhin verkündete Bundesrätin Doris Leuthard strahlend, das Bundesamt für Umwelt (Bafu) wolle den Grenzwert für den tolerierten Glyphosatgehalt in Schweizer Gewässern von 0,1 Mikrogramm pro Liter Wasser um den Faktor 3600 erhöhen. Man reibt sich Augen und Ohren, doch wir haben es richtig verstanden: Sage und schreibe 3600 Mal mehr von dem umstrittenen Gift darf künftig in Bächen, Flüssen, Teichen und Seen schwimmen. Ist das nicht ein tolles Weihnachtsgeschenk?

Die NZZ berichtete am 19. Dezember 2017 über den grotesken Bescheid aus Bern: «Die Befürworter der Trinkwasser-Initiative reagieren empört. Sie werfen dem Bafu vor, das Pestizidproblem auf dem Papier lösen zu wollen. Daniel Hartmann sagt, er sei ‚fast vom Stuhl gekippt‘, als er das gesehen habe. Hartmann hat während 25 Jahren im Bafu gearbeitet. ‚Was mein ehemaliges Bundesamt jetzt macht, ist peinlich‘, sagt er. Das sei, als würde man das Raserproblem mit einer neuen Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h lösen.» Doch der Nachfolger von Daniel Hartmann beim Bafu, Christian Leu, sieht das völlig anders. Es sei nicht die Aufgabe des Gewässerschutzes, zu beurteilen, ob Glyphosat für den Menschen tatsächlich krebserregend sei. «Wir sind dafür da, die Pflanzen und Tiere im Wasser zu schützen. Und für sie ist das Glyphosat, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzenschutzmitteln, erst ab einer deutlich höheren Konzentration als 0,1 Mikrogramm pro Liter ein Problem.»

Folglich scheint es dem Bafu logisch, den erlaubten Wert um den Faktor 3600 zu erhöhen. Worauf sich diese erstaunliche Zahl stützt, verraten weder die zuständigen Beamten noch Bundesrätin Leuthard.
Dass sich Glyphosat und Neonicotinoide häufig im Honig nachweisen lassen und zweifellos zum Bienensterben beitragen, scheint unserem Bundesamt für Umwelt entweder nicht bekannt oder vollkommen egal zu sein.

Insektenkiller Windmühlen?
Modirama Kopelke von der Firma Soltuuli, der Erfinder der neuartigen Zédolille-Windkraftanlage, hat mir kurz vor Weihnachten folgenden Mail geschickt: «Hinter den Propeller-Windmühlen bilden sich bis 20 bis 30 km lange Wirbelschleppen. Wirbelschleppen sind Kardan-Wirbelstraßen. Dort ist die Strömung chaotisch mit vielen Druckwechseln. Durch diese Wirbelschleppen können neben Ultraleichtfliegern auch keine Insekten fliegen. Ich sehe darin den wahren Grund für das momentane Insektensterben.» Auf seiner Homepage ist dieses Thema sowie vieles andere zum Windturbinen-Problem ausführlicher behandelt. Siehe: http://www.soltuuli.com

Ich habe dieses Mail zudem an Elias Meier vom Verband Freie Landschaft Schweiz weitergeleitet. Seine Antwort: «Vielen Dank für Ihre wertvolle Info. Mir war dies physikalisch stets bewusst, aber ich habe nicht daran gedacht, dass sich da ja sämtliche leichten fliegenden Lebewesen gestört fühlen können. Ich frage mich aber, ob dieser Korridor wirklich länger als ein paar hundert Meter werden kann.» Genau das habe ich mich auch gefragt. Gibt es Beweise dafür? Zahlreiche hochinteressante Infos darüber finden sich zum Beispiel unter «Der Tornado der Energiewende: Wirbelschleppen» http.//ruhrkultour.de. Etwa diese: «Das Renditemodell der Windparkbetreiber verpufft in der Wirbelschleppe. Hausbesitzer, die in der Nähe von Windkraftanlagen wohnen, müssen mit Beschädigungen an der Bausubstanz ihrer Häuser rechnen, bekommen die Schäden aber möglicherweise nicht von den Windparkbetreibern erstattet. Die Besitzer von Obstplantagen, die auf die Bestäubung der Obstpflanzen durch Bienen oder Insekten angewiesen sind, müssen ihr Unternehmen möglicherweise aufgeben.»

BRAUCHT DIE OECD NACHHILFEUNTERRICHT?

 

Seit der Entomologische Verein von Krefeld diesen Sommer das Ergebnis seiner während der letzten 30 Jahre durchgeführten Untersuchung veröffentlicht hat, ist der Insektenschwund in die Schlagzeilen gerückt. Die Medien haben dem dramatischen Rückgang von Fluginsekten in diesem Zeitraum um rund 80 Prozent zu Recht viel Platz eingeräumt. Dieses Resultat ist umso alarmierender, als die Daten ausschließlich in Schutzgebieten gesammelt wurden. Was einige bereits seit längerem in vielen europäischen Ländern, aber auch in China und den USA festgestellt hatten, jedoch nicht beweisen konnten, ist nun eine mit 1500 Proben belegte Tatsache. Die Aufmerksamkeit, die jetzt dieser Naturkatastrophe geschenkt worden ist, lässt jedoch hoffen, dass Initiativen ergriffen werden, um dem Übel zu Leibe zu rücken.  Gewiss sind Auswilderung und Monitoring von Bartgeier, Luchs & Co. weniger mühselig und für die Biologen eindeutig spannender, als dem Aussterben von zum Teil unscheinbaren Insekten auf den Grund zu gehen. Deren ökologische Bedeutung übertrifft jedoch jene der attraktiven «Großen» bei weitem.

Die Schweiz am Pranger
Unlängst war es der Menschenrechtsrat der Uno, der die Schweiz maßregelte. Kurz darauf teilte die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) unserem Land in Sachen Umweltschutz miserable Noten aus. Nachholbedarf gebe es zum Beispiel beim Erhalt der Artenvielfalt, bei den Schutzgebieten (zu wenige, schlecht vernetzt), der Landwirtschaft  (zu viele Pestizide), der Wasserkraft (zu geringe Restwassermengen). Mit ihren 6,2% sei die Schweiz weit davon entfernt, bis 2020 die weltweit vereinbarten 17% der Landesfläche unter Schutz zu stellen. Zudem gebe es verglichen mit den übrigen Ländern viel zu wenig geschützte Wälder.

Was die Pestizide betrifft, scheint die OECD nicht ganz falsch zu liegen, wenn man sich in Wikipedia umschaut. Denkt man jedoch an die riesigen Ackerflächen, wie sie z.B. in Deutschland oder Frankreich häufig sind, kommt einem die kleinräumige, gebirgige Schweiz dagegen eher «harmlos» vor. Ausserdem werden unsere Landwirte durch zahlreiche Auflagen gezwungen sowie durch finanzielle Anreize motiviert, mit Hecken, Steinhaufen und Ähnlichem die Biodiversität zu fördern.

Die Forderung nach mehr Schutzgebieten wiederum mag rein zahlenmäßig berechtigt sein. Ein Blick auf die Landkarte genügt jedoch, um zu sehen, dass wir in den Alpen, Voralpen und dem Jura mit Naturlandschaften reich gesegnet sind, und dies trotz des von der OECD beklagten Tourismus. Wesentlich größer ist die Gefahr, dass die Schweizer Landschaft von den Windturbinenanlagen zerstört wird, die an 159 Standorten, auch in Schutzgebieten, geplant sind! – Beim Wald wiederum liegen die Kritiker eindeutig falsch: Es gab in der Schweiz während einigen Jahrhunderten nie mehr so viel Wald und Totholz wie heute. Und auf die Biodiversität wirkt sich ein unbewirtschafteter Forst erwiesenermaßen nicht positiv aus. Doch lassen wir den Fachmann sprechen…

Mehr Natur in Wald und Rebberg
Der Walliser Biologe Antoine Sierro hat im Jahr 2000 als Mitarbeiter der Vogelwarte Sempach ein Projekt mit dem Ziel gestartet, die Vielfalt und Anzahl der Brutvögel in den Rebbergen zu erhöhen. Er überzeugte hundert Winzer, in ihren Rebbergen Büsche und Bäume zu pflanzen, die Böden stärker zu begrünen und weniger Pflanzen- und Insektenvernichtungsmittel einzusetzen. Sie machten mit, und zwölf Jahre später brüteten bereits 40% mehr Vögel in den Weinbergen, darunter auch seltene Arten. Im soeben erschienenen Wallis-Sonderheft VINUM berichtet er über diese erfolgreiche Zusammenarbeit. Hier einige Zitate zum Thema Insekten und Wald: «Im Rahmen meiner selbständigen Tätigkeit als Biologe beschäftigte ich mich auch mit Schmetterlingen, insbesondere mit dem in der Schweiz sehr seltenen Blasenstrauch-Bläuling. Seit 2000 versuchte ich die Winzer davon zu überzeugen, Blasensträucher für diese Schmetterlingsart zu pflanzen. Der Strauch, in dessen Samenkapseln die Bläuling-Raupe lebt, meidet Wälder und wächst hauptsächlich am Saum von Rebfeldern. Der seltene, sehr empfindliche und dabei wunderschöne Bläuling ist gewissermaßen der Cornalin unter den Schmetterlingen.»

«Der Wald kehrt überall in der Schweiz zurück, vor allem auf Kosten der Wiesen und Bergalpen. Allerdings wird der Wald heute nicht mehr für Brennholz genutzt, und auch Waldbrände kommen heute viel seltener vor, so dass er immer dichter wird und sich für zahlreiche Arten, die Helligkeit oder Lichtungen brauchen, nicht mehr als Lebensraum eignet.» Erstarrt die Natur, wenn der Mensch nicht genügend eingreift? «Na ja, fast… Sie haben bestimmt von dem Brand gehört, der 2003 in Leuk rund 310 Hektaren Wald zerstörte. Die Bewohner dieser Region empfanden dies als Katastrophe, doch für die Natur generell und insbesondere die Vögel stellte dieser Waldbrand eine einmalige Chance dar. Ich verfolgte die Entwicklung für die Vogelwarte. Dabei stellten wir fest, dass mehrere seltene Arten, etwa der Steinrötel, wieder zurückkehrten. Die Schmetterlingspopulation explodierte regelrecht, vor allem der Segelfalter breitete sich wieder aus. Im Bewusstsein der Menschen gilt der Wald als unantastbar, doch nach einem Waldbrand können sich zahlreiche Pionierpflanzen ansiedeln. Die Natur bietet unzählige Schattierungen, doch lässt sich das oft nur schwer vermitteln.» Diese nicht ganz neue Erkenntnis sollte den Fachleuten der OECD eigentlich ebenfalls bekannt sein.

PS: Bundeskanzlerin Merkel, die sich jetzt so sehr über ihren Landwirtschaftsminister aufregt, hatte Ende Juni 2017 am Bauerntag den Landwirten hoch und heilig versprochen, sich für die Verwendung von Glyphosat einzusetzen.

 

 

SPINNER NEHMEN ÜBERHAND…!

… Und was für die Politik gilt, wird auch im Tal des Eyrieux in der Ardèche bittere Realität. Der Buchsbaumzünsler hat das Regiment übernommen. Die im Grunde genommen hübsche Raupe frisst sich mit ungezügeltem Appetit durch die grossen Buchsbestände der Wälder. Abertausende spinnen die eigentlich immergrünen Büsche ein und verwandeln sie innert kürzester Zeit in fahlbraune Gerippe mit dürrem Laub. Zwar meinen manche, dass sich die Buchsbäume wieder erholen werden, wenn der Zünsler verschwunden ist. Aber ob er das tut, solange noch irgendwo etwas Fressbares zu finden ist…?

Die Raupen seilen sich an ihren Spinnfäden ab, lassen sich durch den Wind verfrachten und landen nicht selten auf den Menschen und Tieren in ihrem Territorium. Raupen und Spinnfäden in den Haaren, auf dem T-Shirt, im Gesicht. Es ist deshalb verständlich, dass die Leute es eigenartig finden, wenn man sie auf den Insektenschwund in ihrer Gegend anspricht. Dennoch: Ungeachtet der  Zünslerinvasion ist es eine traurige Tatsache, dass selbst in dieser naturnahen Region immer weniger Falter, Bienen, Wespen, Käfer und Heuschrecken zu finden sind. Entsprechend rar machen sich die Fledermäuse, Schwalben und Eidechsen. Auch gesunde, fette Spinnen kriegt man kaum mehr zu Gesicht.

Früher war auch in der Drôme einiges besser
Dass der Süden Frankreichs vor noch nicht allzu langer Zeit ein Dorado für Insekten und alle von ihnen abhängigen Tiere war, bestätigte Christoph Meckel in seinem 1997 erschienenen Buch «Ein unbekannter Mensch». Der 1935 in Berlin geborene Schriftsteller und Grafiker lebte lange Zeit im Dorf Rémuzat (im Buch Villededon genannt) in der östlichen Drôme, das er folgendermaßen beschreibt: «Das Dorf ist nicht sehenswert, eine einfache Ortschaft, fünfhundert Meter hoch zwischen Felsen und Marnen, Steilhängen mit Bergeichen, Ginster und Zedern, am Zusammenlauf zweier Flüsse aus Nord und Ost, verwilderten Wasserbetten voll Kies und Geäst, die im Winter Ströme, im Sommer Rinnsale sind.» Im Mittelpunkt des schmalen, aber für alle Liebhaber des ländlichen Frankreich lesenswerten Bandes stehen die Menschen, die hier lebten. Die Tierwelt dieser Gegend kommt jedoch auch zu ihrem Recht. «… Schwalben und Mauersegler bauen Nester am Haus, und im Gras die Katze erwartet den Tag, wenn ein junger Vogel herunterfällt, auf dem ersten Flugversuch zwischen Nest und Baum. Die heißen Wochen des Sommers sind leer und still, nur die Fledermaus schwirrt durch die Höfe im Zwielicht, Eule und Käuzchen rufen in der Nacht. Nach dem zehnten September sammeln sich die Schwalben, kreisen und gleiten in Schwärmen über den Hängen und sind eines Morgens nicht mehr da. (…) Die Nachtluft flimmert von Glühwürmchen, Faltern, Fliegen, Moskitos und Motten.»

In Gärten und Parks wird verbissen gekämpft
Ja, so oder ähnlich haben wir es auch bei uns in der Ardèche erlebt. Ob der neue Umweltminister und populäre TV-Star Nicolas Hulot diese paradiesischen Zustände wiederherstellen kann? Er nimmt unter anderem die Pestizide ins Visier, um dem Bienensterben Einhalt zu gebieten, und kämpft dabei gegen die Vorstellungen des Agrarministers. Einfach wird er es wohl nicht haben, darin sind sich auch seine Parteifreunde einig.

In den häufig nur schwer zugänglichen Wäldern der Ardèche bleiben die Buchsbaumzünsler von Vernichtungsaktionen unbehelligt. Anders sieht es in den Gärten und Parks aus, in denen Buchs zu den beliebtesten Gewächsen gehört, da er sich fast beliebig zu Hecken, Kugeln und fantasievollen Figuren trimmen lässt. Es gibt wohl keinen Schlossgärtner in Frankreich, der etwas auf sich hält, der freiwillig auf den Buchs im Park verzichtet. Selbst ökologisch verantwortungsbewusste Hobbygärtnerinnen und -gärtner, die es zuerst mit dem Ablesen der Raupen versuchen oder ihnen mit dem Hochdruckreiniger zu Leibe rücken, greifen schließlich zu den empfohlenen Pestiziden, um das Schlimmste zu verhindern. Und einmal spritzen genügt nicht, die Prozedur muss mehrmals wiederholt werden, damit sie etwas nützt. Auch in diesem Fall wird der Beelzebub mit dem Teufel ausgetrieben, denn diese Mittel sind erwiesenermaßen auch für Bienen und andere Insekten schädlich bzw. tödlich. Monsieur Hulot geht die Arbeit nicht aus!

Zum Abschluss noch eine Feststellung von Maarten Bijleveld van Leexmond, dem 77jährigen holländischen Biologen, Gründer des WWF Niederlande und des Papiliorama im westschweizerischen Marin, der ein Haus im Hérault besitzt: «Es war Mitte der 2000er Jahre. Eines Tages, als ich in der Garrigue spazieren ging, fragte ich mich, wo die Insekten geblieben sind. Es schien mir, dass es viel weniger gab als früher. Und ich realisierte, dass immer weniger an der Frontscheibe und dem Kühlergrill des Autos klebten, sozusagen keine mehr.» In der Folge tat er sich mit einem Dutzend Entomologen zusammen, deren Nachforschungen und Beobachtungen bestätigten, dass der Insektenbestand seit den 1990er Jahren zurückgegangen ist. Ihrer Ansicht nach  ist das Bienensterben nur der sichtbarste Teil dieses Phänomens, das für das ganze Ökosystem gilt. Mehr darüber demnächst!

AUGENWEIDEN UND BIENENFREUNDLICHE BAUERN

Das Schweizer Stimmvolk hat das Energiegesetz angenommen, und es bleibt nur noch die Hoffnung, dass trotzdem Wege und Mittel gefunden werden, um in Sachen Windturbinen das Schlimmste zu verhüten. Elias Meier vom Verband Freie Landschaft Schweiz verspricht, am Ball zu bleiben (elias.meier@freie-landschaft.ch).

Pfingsten ist wie üblich launisch, was Gelegenheit zum Schmökern in Zeitungen, Magazinen und alten Büchern bietet. Es muss ja nicht immer nur Trump, Putin und Macron sein.

Hohe Zeit der Blumenwiesen
Die unter Naturschutz stehende Klappertopfwiese vor der Haustür blüht dank Einsprengseln von Klatschmohn, Wiesensalbei, Esparsetten und Margeriten farbenfroh. Auch in der Höhe geht es auf den Weiden momentan bunt zu und her. Besonders eindrucksvoll war der gestrige Kurzausflug zwischen zwei Regengüssen zum Tzeusier-Stausee über Ayent VS, wo die Alpen- und Schwefelanemonen mit dem kleinen Frühlingsenzian und dem kräftigeren Stengellosen Enzian dichte Bestände bilden. Eine echte Augenweide!

Stefan Eggenberger, Leiter des nationalen Daten- und Informationszentrums für Wildpflanzen Info Flora, bedauert, dass solche Wiesen in der Schweiz immer seltener und sogar in den Alpen schleichend durch sattgelbe, jedoch eintönige Löwenzahnflächen ersetzt werden. Biodiversität sieht anders aus! «Erst so realisiert man, dass etwas nicht in Ordnung ist mit unserem Naturkapital. Oder denken Sie an die 1960er Jahre zurück: Nach einer Autofahrt klebten überall Insekten an der Windschutzscheibe. Heute sind wir schneller und mehr unterwegs, aber die Autos sind fast sauber. Wo sind nur all die Insekten geblieben?»

Und was ist seiner Ansicht nach die Ursache für den erschreckenden Rückgang der Artenvielfalt ? «Eines der größten Probleme ist unsachgemäßer Stickstoffeinsatz in der Landwirtschaft. Das Ammoniak, das aus der Gülle in die Luft entweicht, gelangt flächendeckend auch in sensible Lebensräume. Diese Düngung führt dazu, dass die natürlichen Standortunterschiede verschwimmen.» Die Folge sei die Banalisierung der Landschaft durch die Ausbreitung nährstoffliebender Pflanzen wie Löwenzahn.

Insekten gibt es auch dieses Jahr auf unserer Bilderbuch-Magerwiese am Montorge-See oberhalb von Sion wiederum sehr wenige. Jede Hummel, jeder Schmetterling, ja sogar jede Biene oder Fliege ist ein Ereignis. Es ist zudem das erste Mal, dass auf der Terrasse keine Mauereidechsen zu sehen sind. Wovon sollten diese Insektenjäger denn auch leben? (Quelle: «NZZ» vom 2.6.2017; www.infoflora.ch).

Dass neben dem Dünger auch die Pestizide reduziert werden müssen, wissen auch unsere Landwirte und Winzer. In den letzten zwei, drei Wochen sind die Helikopter bereits morgens um sechs Uhr losgedonnert, um die Reben zu spritzen. In einem «Blick»-Video kommentiert ein Weinbauer aus Fully das Prozedere und meint, man gebe sich im allgemeinen Mühe, weniger und umweltfreundlichere Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Störend finde er hingegen, dass nicht die Winzer die Spritzpläne erstellen, sondern die Produzenten bzw. Händler der Pestizide. Das ist allerdings erstaunlich…

Bienenfreundlicher Aargau
Im Kanton Aargau will man das alarmierende Bienensterben mit einem sogenannten Ressourcenprojekt in Zusammenarbeit mit den Landwirten und Winzern gezielt bekämpfen. Durch zahlreiche Maßnahmen, die den Bauern einiges abfordern, wofür sie jedoch durch finanzielle Beiträge relativ großzügig entschädigt werden, sollen Honig- und Wildbienen geschützt und gefördert werden.

Laut «NZZ» haben sich in den ersten fünf Monaten 250 im Kanton Aargau ansässige Bauern zum Mitmachen entschlossen. Sie verpflichten sich, die strikten Mäh- und Spritzvorschriften einzuhalten, legen Kleinstrukturen an (Holz-, Sand-, Erd- und Steinhaufen), lassen Brachen mit Wildblütenpflanzen stehen, schaffen Tümpel, besuchen Weiterbildungskurse usw. Die ausführliche Beschreibung des ehrgeizigen Projekts «Bienenfreundliche Landwirtschaft im Kanton Aargau» findet man unter www.agrofutura.ch.

Meiner treuen «Followerin», Imkerin und Kommunikationsfachfrau in Österreich geht es übrigens nicht besser als unseren Schweizer Bienenhaltern. In ihrem neusten Blog klagt sie: «Meine traurige Bilanz: 75% Verlust im Winter 2016/17. Die Hälfte meiner Völker war bereits im Herbst sehr schwach, und die zusätzliche Varroa-Behandlung hat ihnen leider den Rest gegeben. Hinzu kommt, dass sie auf Grund der Rückkehr des Winters im Februar viel Hunger leiden mussten.» Beides habe dazu geführt, dass sie Anfang März drei tote Völker vorgefunden habe. Mehr dazu gibt’s unter www.honigsuess.com zu erfahren.

UND WO BLEIBEN DIE FRÖSCHE?

Es blüht und sprießt, pfeift und jubiliert allenthalben. Der Frühling kommt nun wirklich mit Macht, und obwohl man von den politischen Machtdemonstrationen einiger Herren mehr als genug hat, lässt man es sich vom Lenz gerne gefallen. Am Montorge bei Sion stehen die Mandel- und Kirschbäume im Blust, die Hänge sind voller Berganemonen, der Wald schmückt sich mit Leberblümchen, und entlang der Suone schießt die Färberwaid in die Höhe. Es fehlt eigentlich nichts zum Glück. Außer den Grasfröschen und Erdkröten, die sich dieses Jahr rar machen.

Ohne Insekten keine Frösche
Das Rhonetal war früher ein einziges Amphibienparadies. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aus mancherlei Gründen geändert. Die Trockenlegung zahlreicher Teiche und Weiher in der Ebene, die Erweiterung des Straßennetzes und Insektizide werden als die wichtigsten genannt. Laut dem Walliser Biologen Pierre-Alain Oggier ist der Grasfrosch jedoch erstaunlich berggängig und wurde sogar im Riffelsee oberhalb von Zermatt auf 2757 m ü.M. gesichtet. Ob es dort Nachwuchs gibt, ist nicht erwiesen, aber im See von Morgins, auf 1366 m, war sein Brutgeschäft erfolgreich: 1985 wurden dort rund tausend Grasfrösche gezählt. Grasfrösche sind sehr anpassungsfähig und vollbringen bei ihrer Wanderung zum Laichplatz eine beeindruckende Leistung. Ihr Ziel ist der Weiher, in dem sie aus dem Ei geschlüpft waren und sich zum Fröschlein entwickelt hatten.

Eigentlich sollte im kleinen Lac de Montorge und den umliegenden Tümpeln momentan Hochbetrieb herrschen. Die meteorologischen Verhältnisse sind ideal: Es hat mehrmals geregnet bei milden, frühlingshaften Temperaturen. Dennoch sieht und hört man nur ein paar vereinzelte Tiere, und auch die Laichklumpen sind rar. Dasselbe gilt für die Erdkröten, die noch vor dreißig Jahren im Wallis bis auf eine Höhe von 1500 m in zum Teil bemerkenswert großen Populationen vorkamen. Wenn es jedoch so wenig Insekten gibt wie letztes Jahr, ist es nicht erstaunlich, dass die Bestände der Frösche und Erdkröten schrumpfen.

Damit wären wir wieder einmal bei den Pestiziden. Migros und Coop haben beschlossen, ihren Gemüse- und Obstlieferanten in dieser Beziehung noch genauer auf die Finger zu schauen. Dadurch sollen nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Arbeiter und die Umwelt geschont werden. Für die Tierwelt ist das eine gute Nachricht. Die beiden Großverteiler halten sich dabei an die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO. Für das Bundesamt für Landwirtschaft geht das jedoch zu weit. Man halte sich vorläufig an die bestehenden eidgenössischen Vorschriften. Neuste amerikanische Studien über Neonicotinoide deuten übrigens darauf hin, dass diese Stoffe nicht nur Bienen und andere Insekten schädigen, sondern sich auch auf das menschliche Gehirn negativ auswirken könnten.

Der Wind, der Wind, das himmlische Kind!
Die Schweiz rühmt sich, wo sie kann, ihrer wunderschönen Landschaft, die Touristen aus allen Ecken der Welt anlocken soll. Der Tourismus ist denn auch für unser Land ein enorm wichtiges Standbein, selbst wenn es hier und dort etwas schwächelt. Zermatt, Verbier, St. Moritz, Gstaad sind die Highlights, aber auch die übrigen Alpentäler und der Jura werden von den Ausländern und Einheimischen geliebt, weil hier die Welt noch einigermaßen intakt wirkt.

Und nun will unser Bundesrat dieses Juwel mit Windturbinen zerstören. Der Gewinn an «sauberer» Energie ist lächerlich gering, das ficht jedoch unsere Regierung nicht an.

Der Verband «Freie Landschaft Schweiz» versucht, diesen Irrsinn abzuwenden: «1000 Windkraftwerke sind nötig, um das Ziel der Energiestrategie 2050 von 4.3 Terawattstunden Windstromproduktion zu erreichen. Nur gerade 6% wären so durch die Windkraft gedeckt. (…) Die Windturbinen bringen einen gravierenden Schaden für die am meisten geschützten und bekannten Landschaften unseres Landes. Gemäß den kürzlich veröffentlichten Schweizer Studien sind 30 000 bis 70 000 getötete Vögel pro Jahr zu erwarten, so auch geschützte und vom Aussterben bedrohte Arten.»

Das sind allzu viele Opfer für das bisschen Strom, der zudem bei Windstille ausbleibt. Dasselbe gilt für die Sonnenenergie bei bedeckten Himmel (man denke nur an den zähen Hochnebel über dem Mittelland im letzten Herbst und Winter). Der Verband empfiehlt darum dringend, am 21. Mai 2017 die Energiestrategie 2050 abzulehnen. Mehr unter www.freie-landschaft.ch.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass der gesunde Menschenverstand der Windenergie-Lobby und ihren seltsamen Argumenten den Wind aus den Segeln nimmt.

 

  

DROHNEN STATT BIENEN?

drohne-und-blumeWährend in St. Moritz die Ski-WM die Gemüter erhitzt, wird es bei uns im Rhonetal frühlingshaft warm. Ungeachtet der verschneiten Berge wehen hier laue Lüfte, die in Erinnerung rufen, dass es bald wieder blühen wird im Tal der Aprikosenbäume. Für die Bienen geht die Winterpause dem Ende entgegen, die ersten dieser für den Obstbau so wichtigen Bestäuber wagen sich bereits jetzt ins Freie, um die Gegend zu erkunden. Ginge es nach dem japanischen Forscherteam von Eijiro Miyako, würden sie allerdings in ein paar Jahren nicht mehr gebraucht, da er sie durch Drohnen ersetzen will, allerdings nicht durch ihre männlichen Artgenossen, sondern durch diese lästigen mechanischen Brummer.

beeBrutaler Blümchensex
Bereits 2013 präsentierten Forscher aus Harvard eine Mini-Drohne namens «Mobee», die das Geschäft der konventionellen Bestäuberbienen übernehmen sollte. Die Harvard Monolithic Bee wurde äußerlich einem Insekt nachempfunden und hat den Vorteil, gegen Pestizide unempfindlich zu sein. Und nicht nur das. Laut den Deutschen Wirtschafts-Nachrichten würden die Roboter-Bees die umweltgestressten Bienen entlasten: «Ein Ökosystem besteht aus einem natürlichen Kreislauf. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die künstlichen Insekten durch ihre Arbeit die Population ihrer natürlichen ‹Artgenossen› sogar fördern.» Je mehr Arbeit die motorisierten Drohnenbienen übernehmen, desto stärker würden sich wieder Blütenpflanzen vermehren. Und um so leichter hätten es die heute häufig geschwächten Bienenschwärme, sich dank diesem ergiebigeren Angebot zu erholen. «Denn durch die künstliche Helferbiene (Mobee) werden die Wege für die echten Bienen kürzer, und ihre Nahrung wird reichhaltiger. Dadurch können sie Energie sparen, die sie in den Bau des Bienenstocks und in die Bildung von Nachwuchsgenerationen stecken können.»

Das Blatt beurteilt die Entwicklung solcher Helferlein positiv, falls nicht noch mehr Lebensraum der Bienen durch Pestizide vernichtet wird. Und meint augenzwinkernd, dass die beste Lösung der Drohnen-Mensch wäre, da er weniger unberechenbar als die Wesen aus Fleisch und Blut sei. Was ist aus der Mobee geworden?

drohneInzwischen hat ihr eine japanische Konkurrentin die Show gestohlen. Diese etwa vier Zentimeter große Drohne imitiert kein Insekt, sondern sieht wie ein buntes, mit Propellern ausgestattetes Kinderspielzeug aus. Das Revolutionäre ist die aus einem besonderen Gel und Pferdehaaren bestehende Vorrichtung, an der die Pollen haften. Ein Kurzfilm zeigt sie beim Bestäuben einer Lilie, und es ist kein erfreulicher Anblick. Geräuschvoll stürzt sich die Maschine auf die Blüte und scheint ihr einen Kinnhaken zu versetzen. Ein brutales Schauspiel, und ob die Bestäubung gelungen ist, scheint mir fraglich. Der Besuch einer echten Imme ist im Vergleich dazu ein zärtliches Liebesspiel.

Flügellahme Wildbienen
deform1Für die Landwirtschaft ist der Rückgang der Bienen nach wie vor ein Problem, daran haben diese technischen Kuriositäten bislang nichts geändert. Dass dabei auch die Wildbienen eine wichtige Rolle spielen, kommt im «Schweizerbauer» vom 2. Februar 2017 zum Ausdruck. Weltweit würden «1,4 Milliarden Arbeitsplätze sowie drei Viertel des landwirtschaftlichen Anbaus» von Bienen abhängen. Doch da ist Gefahr im Verzug: Ein neuentdecktes Virus, das durch winzige Milben übertragen wird, deformiert die Flügel von Wildbienen. Dadurch werde nicht nur das Sammeln von Blütennektar erschwert, es verkürze auch die Lebenserwartung der befallenen Individuen. Die Untersuchung der Flugrouten von mit Sendern ausgestatteten infizierten und gesunden Bienen soll genauere Informationen über den neuen Feind und dessen Auswirkungen bringen.

groozigdoseZum Schluss noch dies
Junge französisch- sprachige Walliser haben 2014 ein Startup zur Kommerzialisierung essbarer Insekten gegründet (www.groozig.com). Seither betreiben sie eine gut gemachte Internetseite, knüpfen Kontakte zu Züchtern, Köchen und der Presse. Nun planen sie, einen Concept Store unter ihrem Namen «Groozig» zu eröffnen. Vermutlich soll der witzig sein, aber ist er auch verkaufsfördernd? Für Deutschschweizer bedeutet gruusig nämlich nichts anderes als widerlich, ekelerregend und grausig…