DROHNEN STATT BIENEN?

drohne-und-blumeWährend in St. Moritz die Ski-WM die Gemüter erhitzt, wird es bei uns im Rhonetal frühlingshaft warm. Ungeachtet der verschneiten Berge wehen hier laue Lüfte, die in Erinnerung rufen, dass es bald wieder blühen wird im Tal der Aprikosenbäume. Für die Bienen geht die Winterpause dem Ende entgegen, die ersten dieser für den Obstbau so wichtigen Bestäuber wagen sich bereits jetzt ins Freie, um die Gegend zu erkunden. Ginge es nach dem japanischen Forscherteam von Eijiro Miyako, würden sie allerdings in ein paar Jahren nicht mehr gebraucht, da er sie durch Drohnen ersetzen will, allerdings nicht durch ihre männlichen Artgenossen, sondern durch diese lästigen mechanischen Brummer.

beeBrutaler Blümchensex
Bereits 2013 präsentierten Forscher aus Harvard eine Mini-Drohne namens «Mobee», die das Geschäft der konventionellen Bestäuberbienen übernehmen sollte. Die Harvard Monolithic Bee wurde äußerlich einem Insekt nachempfunden und hat den Vorteil, gegen Pestizide unempfindlich zu sein. Und nicht nur das. Laut den Deutschen Wirtschafts-Nachrichten würden die Roboter-Bees die umweltgestressten Bienen entlasten: «Ein Ökosystem besteht aus einem natürlichen Kreislauf. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die künstlichen Insekten durch ihre Arbeit die Population ihrer natürlichen ‹Artgenossen› sogar fördern.» Je mehr Arbeit die motorisierten Drohnenbienen übernehmen, desto stärker würden sich wieder Blütenpflanzen vermehren. Und um so leichter hätten es die heute häufig geschwächten Bienenschwärme, sich dank diesem ergiebigeren Angebot zu erholen. «Denn durch die künstliche Helferbiene (Mobee) werden die Wege für die echten Bienen kürzer, und ihre Nahrung wird reichhaltiger. Dadurch können sie Energie sparen, die sie in den Bau des Bienenstocks und in die Bildung von Nachwuchsgenerationen stecken können.»

Das Blatt beurteilt die Entwicklung solcher Helferlein positiv, falls nicht noch mehr Lebensraum der Bienen durch Pestizide vernichtet wird. Und meint augenzwinkernd, dass die beste Lösung der Drohnen-Mensch wäre, da er weniger unberechenbar als die Wesen aus Fleisch und Blut sei. Was ist aus der Mobee geworden?

drohneInzwischen hat ihr eine japanische Konkurrentin die Show gestohlen. Diese etwa vier Zentimeter große Drohne imitiert kein Insekt, sondern sieht wie ein buntes, mit Propellern ausgestattetes Kinderspielzeug aus. Das Revolutionäre ist die aus einem besonderen Gel und Pferdehaaren bestehende Vorrichtung, an der die Pollen haften. Ein Kurzfilm zeigt sie beim Bestäuben einer Lilie, und es ist kein erfreulicher Anblick. Geräuschvoll stürzt sich die Maschine auf die Blüte und scheint ihr einen Kinnhaken zu versetzen. Ein brutales Schauspiel, und ob die Bestäubung gelungen ist, scheint mir fraglich. Der Besuch einer echten Imme ist im Vergleich dazu ein zärtliches Liebesspiel.

Flügellahme Wildbienen
deform1Für die Landwirtschaft ist der Rückgang der Bienen nach wie vor ein Problem, daran haben diese technischen Kuriositäten bislang nichts geändert. Dass dabei auch die Wildbienen eine wichtige Rolle spielen, kommt im «Schweizerbauer» vom 2. Februar 2017 zum Ausdruck. Weltweit würden «1,4 Milliarden Arbeitsplätze sowie drei Viertel des landwirtschaftlichen Anbaus» von Bienen abhängen. Doch da ist Gefahr im Verzug: Ein neuentdecktes Virus, das durch winzige Milben übertragen wird, deformiert die Flügel von Wildbienen. Dadurch werde nicht nur das Sammeln von Blütennektar erschwert, es verkürze auch die Lebenserwartung der befallenen Individuen. Die Untersuchung der Flugrouten von mit Sendern ausgestatteten infizierten und gesunden Bienen soll genauere Informationen über den neuen Feind und dessen Auswirkungen bringen.

groozigdoseZum Schluss noch dies
Junge französisch- sprachige Walliser haben 2014 ein Startup zur Kommerzialisierung essbarer Insekten gegründet (www.groozig.com). Seither betreiben sie eine gut gemachte Internetseite, knüpfen Kontakte zu Züchtern, Köchen und der Presse. Nun planen sie, einen Concept Store unter ihrem Namen «Groozig» zu eröffnen. Vermutlich soll der witzig sein, aber ist er auch verkaufsfördernd? Für Deutschschweizer bedeutet gruusig nämlich nichts anderes als widerlich, ekelerregend und grausig…

 

«QUOD LICET IOVI…

… non licet bovi.» Der Auftritt mit lateinischen Sprüchen hat oft einen dünkelhaften Beigeschmack. In diesem Fall trifft er den Nagel jedoch so präzis auf den Kopf, dass ich nicht darauf verzichten mag. Jupiter ist erlaubt, was den Ochsen verboten ist. So war es bei den alten Römern, und so ist es auch heute noch bei uns in Europa.

insektenburgerInsekten auf dem Tisch, aber nicht im Stall
Die Festtage zeichnen sich im allgemeinen durch üppige Tafelfreuden aus. All die Filets im Teig, Fondues chinoises und Gänsebraten machen sich nicht nur auf der Waage bemerkbar, sie wecken bei einigen auch das ökologische Gewissen: Zuviel Fleisch! Unsere Großverteiler haben zwar nichts dagegen, wenn wir uns bei ihnen mit all diesen Köstlichkeiten eindecken, sind jedoch trendbewusst genug, um uns fürs kommende Jahr auf den rechten Weg zu führen. Mit vegetarischen und veganen Angeboten zum Beispiel, aber auch mit Leckerbissen aus der Insektenwelt. In der Westschweizer Coop-Zeitschrift Nr. 52 macht uns der Leiter der Frischprodukte, Roland Frefel, bereits jetzt den Mund wässrig auf die kulinarischen Kreationen aus Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmern, die ab Mai 2017 angeboten werden.huhn-mit-insekt

Ob die angekündigten Insekten-Burger bei den Konsumenten den erhofften Erfolg bringen, wird sich zeigen. Paradox ist, dass der Verzehr von Insekten den Menschen sowie Hund und Katze erlaubt wird, ja sogar als ökologisch vorbildlich und zukunftsweisend gilt, jedoch laut EU-Recht das Füttern von Nutztieren mit Insekten nach wie vor verboten ist. Das gilt selbst für Arten wie Hühner, Enten, Puten usw., bei denen Insektenlarven, Würmer usw. zum natürlichen Nahrungsspektrum gehören. fleischabfallDas Problem werde überprüft, heißt es. Angesichts der horrenden Preise, zu denen Maden, Schaben & Co. im Versandhandel angeboten werden, kommen allerdings Zweifel auf. Der Vorschlag des Bauernverbandes, wieder wie früher tierische Proteine in Form von Schlacht- und Küchenabfällen der Hotellerie an Nutztiere verfüttern zu dürfen, statt sie aufwendig zu vernichten, scheint mir sinnvoller. (Quelle: NZZ am Sonntag vom 27.11.2016)

Das englische Mirakel
Eine kurze, aber aufregende Meldung ging vor Weihnachten durch die Presse. Der Entomologe Jason Chapman von der Universität Exeter in Cornwall und sein Team haben während zehn Jahren die Wanderung der Insekten am Himmel Südenglands beobachtet. Mit Hilfe von Radar und Fallen, die an kleinen Zeppelinen befestigt waren, kamen sie auf ein erstaunliches Resultat: Pro Jahr ziehen jason_chapmandurchschnittlich 3,5 Billionen Insekten wie Zugvögel im Frühling von Süden nach Norden und im Herbst wieder zurück in den Süden. Das Gesamtgewicht dieser Migranten wird auf 3200 Tonnen geschätzt. Obwohl die Zahlen je nach Jahr erheblich schwankten, ist diese Menge dennoch beeindruckend. Offenbar lassen sich die unterschiedlichsten Arten – von der Mücke bis zum Schmetterling – vom Wind in ergiebigere Nahrungsgründe treiben. Wer sich jetzt noch über Insektenschwund beklagt, ist nicht von dieser Welt! Sie sind immer noch da, und offensichtlich in rauhen Mengen.

Ein paar Fragen seien dennoch erlaubt. Ist dieses Phänomen auf den Süden Englands beschränkt? Bislang ist es die erste und einzige derartige Messstation, und über ähnliche Beobachtungen scheint seltsamerweise nichts bekannt zu sein. War es zudem überhaupt möglich, diese Zählungen zuverlässig durchzuführen? Interessant wäre schließlich auch zu wissen, wer diese Studie finanziert hat.henk-tennekes

Der deutsche Naturschutzbund (NABU) zum Beispiel wartet mit Zahlen auf, die eine andere Botschaft verkünden: «Allein in Nordrhein-Westfalen ist in den vergangenen 15 Jahren die Biomasse der Fluginsekten um bis zu 80% zurückgegangen. Unsere Beobachtungen sind beängstigend.» Ähnlich pessimistisch äußerte sich der niederländische Toxikologe Dr. Henk Tennekes vor vier Jahren: «In den vergangenen Jahren gab es ein Bienensterben von nie gekannter Dimension, und auch die Schmetterlinge befinden sich auf einem Tiefstand. Über den Rückgang der anderen Insektengruppen wissen wir wenig.»

Dennoch sind wir gespannt, mit welchen Ergebnissen uns Jason Chapman und seine Kollegen in den nächsten Jahren verblüffen werden. Doch zunächst wünsche ich allen ein gutes neues Jahr.