VOM WINDE VERWEHT

Die erste Biene, die erste Feuerwanze, die erste Ameise gesichtet! Hier und dort blühen Leberblümchen, und der Bärlauch beginnt zu sprießen – Frühlingserwachen. Dennoch: Es ist nach wie vor Winter, mit viel Schnee in den Bergen und Temperaturen weit unter Null. Wer Ski fahren will, muss nicht nach Pyeongchang fliegen, der Pistenplausch finde+t in den Schweizer Bergen auf echtem Schnee statt.

Zu teuer? Zu billig?
Auch den englischen Reisejournalisten John Eifion Jones zog’s in die Alpen. Und er hat in der «NZZ» erklärt, wieso er trotz Sonne, Pulverschnee und gutem Essen nicht nur begeistert war. «Wann sind Auslandferien zu teuer? Bei mir war es der Moment, als ich feststellen musste, dass mich die Bahnfahrt vom Flughafen zum Ferienort mehr kostet als der Flug von England in die Schweiz.» Das Swiss Transfer Ticket für Gäste aus dem Ausland kostet pro Person in der 2. Klasse 154 Franken (Kinder bis 16 Jahre gratis). Damit kann man mit der Eisenbahn von der Grenze oder vom Flughafen Genf oder Zürich bis zum Ferienort und wieder zurück fahren. Gewiss, das scheint nicht ausgesprochen günstig, wenn man mit dem Billigflieger bereits für 100 Franken von London nach Zürich und zurück reist. Und es gibt sogar Schnäppchen-Flüge für wesentlich weniger Geld! Insofern ist der Frust des Journalisten verständlich. Auch für Einheimische ist die Schweizer Bahn übrigens kein preisgünstiges Beförderungsmittel – außer für Politiker und Bundesbeamte, die jedes Jahr ein Erstklass-Generalabonnement im Wert von 6300 Franken geschenkt erhalten.

Grundsätzlich mag man es ja allen gönnen, nicht nur den Superreichen, sondern auch den britischen Pauschaltouristen, dass sie den Urlaub an ihrem Wunschziel verbringen können. Die Frage ist jedoch, ob die Billig(st)flüge – und überhaupt der gesamte rasant zunehmende Flugverkehr – ökologisch noch verantwortbar sind. In Blog 45 vom September 2016 berichtete ich vom Savoyarden Jacques Fabry, der die Auswirkungen des Luftverkehrs seit Jahren beobachtet und überzeugt ist, dass Kerosin eine Menge zur Umweltverschmutzung und damit auch zum Insektenschwund beitrage. Vor allem die Bienen seien durch die von den Flugzeugen verursachten Nebelschleier desorientiert. Seine Appelle an französische Universitäten und Aviatikunternehmen, gezielt dagegen vorzugehen, blieben offensichtlich ungehört. In Deutschland scheint sich dagegen etwas zu tun.

Unerforschtes Kerosin
Laut Wikipedia beträgt die weltweit steigende Wachstumsrate des Flugverkehrs 7,1%. Deutschlandweit seien die Emissionen zwischen 1990 und 2014 um 85% angestiegen, von knapp 15 Mio. Tonnen auf etwa 26 bis 27 Mio. Tonnen. «Bei einem ökologischen Vergleich der Verkehrsmittel in Deutschland unter realistischer Auslastung war 2014 der Beitrag von Flugzeugen zum Klimawandel je Personenkilometer deutlich höher als bei anderen Verkehrsmitteln: umgerechnet in CO2-Emissionen gegenüber Reisebussen und der Bahn mehr als fünfmal so hoch. Der Verbrauch an Primärenergie in Litern pro Person betrug mehr als das Doppelte.» Die Kondensstreifen, die den Himmel einnebeln, haben es eindeutig in sich.
Und welche Auswirkungen haben eigentlich die im Kerosin enthaltenen Schadstoffe wie Benzol, Antikorrosionsmittel, Kohlen- und Stickoxide? Im «Spiegel» 5/2018 beruhigt Robert Sausen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Selbst wenn in großen Mengen abgelassen werde, um für die Landung Gewicht zu verlieren, werde das Kerosin «fein zerstäubt und verwirbelt. Der größte Teil davon verdunste rasch und sei unmittelbar in der Atmosphäre nicht schädlich. (…) Was am Ende unten ankomme, lande mit großer Wahrscheinlichkeit dann nicht direkt unterhalb der Flugroute, sondern, je nach Wind, oft sehr weit entfernt. (…) Genaueres können die Experten nicht sagen. Die Zahl der belastbaren Studien zu dem Thema sei sehr dünn.» Sie sollen zudem laut Sausen oft auf Experimenten aus den 1950er Jahren beruhen! Man weiß also nicht, wo und wieviel auf dem Boden landet.
Es geschieht erstaunlich wenig, um diese Wissenslücken zu schließen. Immerhin wird die Kritik lauter. Vor allem Umweltverbände wie der WWF und der deutsche Naturschutzbund fordern die Einführung einer Steuer auf Flugtreibstoff. Abgesehen von den Niederlanden wird in der ganzen EU keine Kerosinbesteuerung eingefordert, und die Schweiz macht in dieser Beziehung aus Konkurrenzgründen keine Ausnahme.
Geht’s um den Schadstoffausstoß von Autos, wird eine härtere Gangart eingeschlagen. Auf den Straßen spielen die Kosten der Benutzer offenbar eine weit weniger wichtige Rolle als in der Luft.

PS: Dass aus Insekten trendige Nahrungsmittel hergestellt werden können, ist bekannt. Neu hingegen ist die Produktion von Kerosin und Diesel aus den Fetten von Insektenlarven. Die Firma Hermetia aus Baruth (D) plant zudem, aus Soldatenfliegen Rohstoffe für die Futtermittel-, Kosmetik-, Pharma- und Energieindustrie zu entwickeln. Vorgestellt haben die Forscher ihre ehrgeizigen Projekte im September an der «Insecta 2017» in Berlin.